18 Geisterstories
Regen, dann stürmte der Wind, und nun trat wieder eine sanfte, feierliche Stille ein. Sollte dies ein Bild von meinem Leben sein? fragte sich Theodor. Mein Wunsch war immer, recht einfach dahinzuwandeln, mir und wenigen Vertrauten genügend, ohne Furcht und ohne ausschweifende Hoffnung, – aber freilich, dann hätte ich nicht in den Zauberkreis dieser Sidonie geraten müssen. Sie wird vielleicht mein Leben glänzend, aber auch stürmisch machen.
In den Erzählungen dieses Abends war er aber auch an jenes Haus am Eibensteige gemahnt worden, in welchem er so viele glückliche Stunden verlebt hatte. Ihn quälte die Erinnerung an das einfache liebenswürdige Mädchen, und er konnte mit sich nicht einig werden, ob er ihr Unrecht getan habe oder nicht. Aber schon dieser Zweifel, sagte er, beweist dann, daß ich sie in ihrem schönen Vertrauen verletzt habe.
Er war jetzt der Wohnung Hannchens nahe gekommen. Der Himmel hatte sich wieder verfinstert. Er sah das Licht durch ihre Fenster glänzen. In dieser Einsamkeit, die den fernen Anwohnern des Gebirges, den Förstern, Jägersmännern und Bergleuten so sicher schien, verschloß man die Häuser nicht ängstlich, und so hatte auch Hannchen die Läden vor den hohen breiten Fenstern, die tief zum Fußsteig niedergingen, nicht vorgeschoben. So stellte sich Theodor dicht an das Fenster und verwunderte sich darüber, daß das Mädchen noch nicht zu Bett gegangen sei. Er sah in die wohlbekannte Stube hinein, alles drin war noch so, wie sonst, Sessel und Armstuhl, Tisch und Schrank standen noch an derselben Stelle, und er sehnte sich mit Rührung und süßem Schmerz in diesen behaglichen Raum hinein. Es stand nur ein Licht auf dem alten runden Tisch von Eichenholz, und die Schnuppe war lang und finster, denn Hannchen saß am Tische und achtete, tief versunken, nicht darauf, das Licht zu putzen. Theodor ergötzte sich an dem lieblichen Bilde, das wie ein schönes Gemälde von Schalken sich ihm zeigte. Die ganze Stube war finster, und nur ihre Figur und ein kleiner Raum in ihrer Nähe mäßig erleuchtet. Sie hatte sich schon zu Bett legen wollen und war halb entkleidet, der schöne weiße Busen zeigte sich halb, und lange volle Flachshaare schwebten herab und verdeckten Schulter und Hals auf der einen Seite: das feine Händchen hielt, mit dem Ellenbogen auf den Tisch gestützt, den Kopf und die gekrümmten Finger hatten sich in das dicke, niederfließende Haar verwickelt. Sie las eifrig ein Blatt und war so vertieft, daß sie darüber die Finstre des niedergebrannten Lichtes nicht bemerkte. Noch nie war die Gestalt, das Angesicht und der Ausdruck des Mädchens dem Jüngling so schön erschienen, aber zugleich mit dieser liebenden Bewunderung empfand er eine seltsame Eifersucht, denn er hatte von dem Werben Ludwig Werners gehört und war überzeugt, daß dieses Blatt, in welchem das liebe blaue Auge so vertieft war, ein zärtlicher Brief ihres Verlobten war. Indem warf eine Sturmwolke einen Regenguß plötzlich nieder, und er klopfte mit der Hand an die Scheibe. Sie erschrak, und ihr erstes war, das teure Blatt tief in ihrem Busen zu verbergen, dann warf sie die schimmernden Haare durch eine heftige Bewegung des Kopfes zurück, band schnell das Mieder zu und eilte an das Fenster. Lassen Sie mich nur auf einen Augenblick ein, rief der junge Mann, bis dieser Regenguß vorüber ist, ich will Sie dann nicht länger beunruhigen. – Sie verschwand und öffnete die Haustür. Als sie in das Zimmer getreten waren, sagte sie, die Hände im Erstaunen zusammenschlagend: Ei, lieber Gott! Graf Theodor wieder einmal in unserer Stube! Sie ging an den Tisch, um das Licht zu putzen, und Theodor sah sich allenthalben um, betrachtete die Flinten an der Wand, die alte Uhr und setzte sich dann
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