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18 Geisterstories

18 Geisterstories

Titel: 18 Geisterstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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Re­gen, dann stürm­te der Wind, und nun trat wie­der ei­ne sanf­te, fei­er­li­che Stil­le ein. Soll­te dies ein Bild von mei­nem Le­ben sein? frag­te sich Theo­dor. Mein Wunsch war im­mer, recht ein­fach da­hin­zu­wan­deln, mir und we­ni­gen Ver­trau­ten ge­nü­gend, oh­ne Furcht und oh­ne aus­schwei­fen­de Hoff­nung, – aber frei­lich, dann hät­te ich nicht in den Zau­ber­kreis die­ser Si­do­nie ge­ra­ten müs­sen. Sie wird viel­leicht mein Le­ben glän­zend, aber auch stür­misch ma­chen.
    In den Er­zäh­lun­gen die­ses Abends war er aber auch an je­nes Haus am Ei­ben­stei­ge ge­mahnt wor­den, in wel­chem er so vie­le glück­li­che Stun­den ver­lebt hat­te. Ihn quäl­te die Er­in­ne­rung an das ein­fa­che lie­bens­wür­di­ge Mäd­chen, und er konn­te mit sich nicht ei­nig wer­den, ob er ihr Un­recht ge­tan ha­be oder nicht. Aber schon die­ser Zwei­fel, sag­te er, be­weist dann, daß ich sie in ih­rem schö­nen Ver­trau­en ver­letzt ha­be.
    Er war jetzt der Woh­nung Hann­chens na­he ge­kom­men. Der Him­mel hat­te sich wie­der ver­fins­tert. Er sah das Licht durch ih­re Fens­ter glän­zen. In die­ser Ein­sam­keit, die den fer­nen An­woh­nern des Ge­bir­ges, den Förs­tern, Jä­gers­män­nern und Berg­leu­ten so si­cher schi­en, ver­schloß man die Häu­ser nicht ängst­lich, und so hat­te auch Hann­chen die Lä­den vor den ho­hen brei­ten Fens­tern, die tief zum Fuß­steig nie­der­gin­gen, nicht vor­ge­scho­ben. So stell­te sich Theo­dor dicht an das Fens­ter und ver­wun­der­te sich dar­über, daß das Mäd­chen noch nicht zu Bett ge­gan­gen sei. Er sah in die wohl­be­kann­te Stu­be hin­ein, al­les drin war noch so, wie sonst, Ses­sel und Arm­stuhl, Tisch und Schrank stan­den noch an der­sel­ben Stel­le, und er sehn­te sich mit Rüh­rung und süßem Schmerz in die­sen be­hag­li­chen Raum hin­ein. Es stand nur ein Licht auf dem al­ten run­den Tisch von Ei­chen­holz, und die Schnup­pe war lang und fins­ter, denn Hann­chen saß am Ti­sche und ach­te­te, tief ver­sun­ken, nicht dar­auf, das Licht zu put­zen. Theo­dor er­götz­te sich an dem lieb­li­chen Bil­de, das wie ein schö­nes Ge­mäl­de von Schal­ken sich ihm zeig­te. Die gan­ze Stu­be war fins­ter, und nur ih­re Fi­gur und ein klei­ner Raum in ih­rer Nä­he mä­ßig er­leuch­tet. Sie hat­te sich schon zu Bett le­gen wol­len und war halb ent­klei­det, der schö­ne wei­ße Bu­sen zeig­te sich halb, und lan­ge vol­le Flachs­haa­re schweb­ten her­ab und ver­deck­ten Schul­ter und Hals auf der einen Sei­te: das fei­ne Händ­chen hielt, mit dem El­len­bo­gen auf den Tisch ge­stützt, den Kopf und die ge­krümm­ten Fin­ger hat­ten sich in das di­cke, nie­der­flie­ßen­de Haar ver­wi­ckelt. Sie las eif­rig ein Blatt und war so ver­tieft, daß sie dar­über die Fin­stre des nie­der­ge­brann­ten Lich­tes nicht be­merk­te. Noch nie war die Ge­stalt, das An­ge­sicht und der Aus­druck des Mäd­chens dem Jüng­ling so schön er­schie­nen, aber zu­gleich mit die­ser lie­ben­den Be­wun­de­rung emp­fand er ei­ne selt­sa­me Ei­fer­sucht, denn er hat­te von dem Wer­ben Lud­wig Wer­ners ge­hört und war über­zeugt, daß die­ses Blatt, in wel­chem das lie­be blaue Au­ge so ver­tieft war, ein zärt­li­cher Brief ih­res Ver­lob­ten war. In­dem warf ei­ne Sturm­wol­ke einen Re­gen­guß plötz­lich nie­der, und er klopf­te mit der Hand an die Schei­be. Sie er­schrak, und ihr ers­tes war, das teu­re Blatt tief in ih­rem Bu­sen zu ver­ber­gen, dann warf sie die schim­mern­den Haa­re durch ei­ne hef­ti­ge Be­we­gung des Kopf­es zu­rück, band schnell das Mie­der zu und eil­te an das Fens­ter. Las­sen Sie mich nur auf einen Au­gen­blick ein, rief der jun­ge Mann, bis die­ser Re­gen­guß vor­über ist, ich will Sie dann nicht län­ger be­un­ru­hi­gen. – Sie ver­schwand und öff­ne­te die Haus­tür. Als sie in das Zim­mer ge­tre­ten wa­ren, sag­te sie, die Hän­de im Er­stau­nen zu­sam­menschla­gend: Ei, lie­ber Gott! Graf Theo­dor wie­der ein­mal in un­se­rer Stu­be! Sie ging an den Tisch, um das Licht zu put­zen, und Theo­dor sah sich al­lent­hal­ben um, be­trach­te­te die Flin­ten an der Wand, die al­te Uhr und setz­te sich dann

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