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18 Geisterstories

18 Geisterstories

Titel: 18 Geisterstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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… hast es ja tau­send­mal schon ge­hört: in der Stadt, in ganz Ka­sti­li­en wer­de ich der Kö­nig der Jä­ger ge­nannt. Da ich, wie al­le mei­ne Vor­fah­ren, noch nicht mei­ne Kräf­te im Kampf ha­be er­pro­ben kön­nen, so hab’ ich die­ser Ver­gnü­gung, als dem Ab­bild des Krie­ges, das gan­ze Un­ge­stüm mei­ner Ju­gend, das gan­ze er­prob­te Feu­er mei­ner Ras­se ent­ge­gen­ge­bracht. Die Fel­le, auf die dein Fuß tritt, sind Jagd­tro­phä­en und stam­men von wil­den Tie­ren, die ich mit ei­ge­ner Hand er­leg­te. Ich ken­ne ih­re Schlupf­win­kel, ih­re Ge­wohn­hei­ten. Am Ta­ge und in der Nacht, zu Fuß und zu Roß, al­lein auf dem Pirsch­gang und ge­mein­sam bei der Treib­jagd, hab’ ich mit ih­nen ge­kämpft, und nie­mand wird sa­gen, daß er mich bei ir­gend­ei­ner Ge­le­gen­heit ei­ne Ge­fahr flie­hen sah! In je­der an­dern Nacht wür­de ich flie­gen, dir die Schär­pe zu­rück­zu­brin­gen, – ich wür­de mit Freu­den flie­gen wie zu ei­nem Fest! – Aber heu­te nacht … wo­zu es leug­nen! heu­te nacht hab’ ich Furcht … Hörst du die Glo­cken. In Sankt Jo­han­nis am Due­ro ha­ben sie das Ave­ma­ria ge­läu­tet, und nun wer­den die Geis­ter mit ih­ren gel­ben Schä­deln aus dem Ge­büsch auf­tau­chen, das ih­re Ge­bei­ne be­deckt … Die Geis­ter! Bei ih­rem blo­ßen An­blick ge­friert dem Mu­tigs­ten vor Ent­set­zen das Blut im Lei­be und sein Haar er­bleicht … Oder sie rei­ßen ihn in den Wir­bel ih­rer ra­sen­den Jagd, wie ein Blatt, das der Wind ent­führt, wer weiß wo­hin.«
    Wäh­rend der Jun­ker dies sprach, spiel­te fast un­merk­lich ein Lä­cheln um Bea­trix’ Lip­pen, und als er ge­en­det hat­te, sag­te sie in gleich­gül­ti­gem Ton – und sto­cher­te da­bei im Ka­min­feu­er, wo, in tau­send­far­bi­gen Fun­ken sprü­hend, das Holz knack­te und knis­ter­te:
    »O nein! We­gen ei­ner sol­chen Klei­nig­keit jetzt in die Ber­ge ge­hen zu wol­len. Auf kei­nen Fall! Welch ein Wahn­sinn! In ei­ner so düs­tern Nacht … in der Al­ler­see­len­nacht … und wo es auf al­len We­gen von Wöl­fen wim­melt!«
    Den letz­ten Wor­ten gab sie ei­ne so ei­gen­tüm­li­che Fär­bung, daß Al­fons die gan­ze bit­te­re Iro­nie be­grei­fen muß­te. Wie aus ei­ner Arm­brust ge­schos­sen, schnell­te er vom Ses­sel auf. Fuhr sich mit der Hand über die Stirn, als woll­te er die Furcht ver­scheu­chen, die ihm im Hirn saß und nicht im Her­zen, und sag­te dann mit fes­ter Stim­me zu der Schö­nen, die noch im­mer vorn­über­ge­beugt saß, im Feu­er her­um­sto­chernd:
    »Leb’ wohl, Bea­trix, leb’ wohl! … Bis auf spä­ter!«
    »Al­fons! Al­fons!« rief die­se da, sich rasch um­wen­dend. Aber als sie ihn zu­rück­hal­ten woll­te oder sich da­zu den An­schein gab, war der Jun­ker schon fort.
    We­ni­ge Mi­nu­ten dar­auf ver­nahm man den Huf­schlag ei­nes Pfer­des, das sich im Ga­lopp ent­fern­te. Mit ge­röte­ten Wan­gen und ei­nem strah­len­den Aus­druck be­frie­dig­ten Stol­zes lausch­te die Schö­ne auf­merk­sam je­nem Ge­trap­pel, das, schwä­cher und schwä­cher wer­dend, all­mäh­lich ver­hall­te.
    Die Ma­tro­nen er­zähl­ten sich im­mer noch ih­re Ge­spens­ter­ge­schich­ten. Und der Wind rüt­tel­te an den Bal­kon­tü­ren, und fern in der Stadt läu­te­ten die Glo­cken …
     
    Ei­ne Stun­de nach der an­de­ren ver­strich. Mit­ter­nacht war na­he, und Bea­trix zog sich in ihr Bet­zim­mer zu­rück. Al­fons kam und kam nicht wie­der, ob­wohl er in we­ni­ger als ei­ner Stun­de hät­te zu­rück sein müs­sen!
    »Er wird Angst ge­habt ha­ben!« sag­te das Fräu­lein, als sie das Ge­bet­buch schloß und in das Schlaf­ge­mach trat. Um­sonst hat­te sie Ru­he in den Ge­be­ten ge­sucht, wel­che die Kir­che an die­sem Ta­ge für das See­len­heil der Ver­stor­be­nen vor­schreibt.
    Sie lösch­te die Lam­pe, zog die sei­de­nen Bett­vor­hän­ge zu­sam­men und leg­te sich schla­fen. Und sie fiel in einen un­ru­hi­gen, leich­ten und quä­len­den Schlum­mer.
    Vom Tor her schlug es Mit­ter­nacht. Im Schlaf hör­te Bea­trix den Klang der Glo­cke, schwer und dumpf und un­säg­lich trau­rig … Sie öff­ne­te die Au­gen. Es war ihr, als hät­te sie gleich­zei­tig

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