18 Geisterstories
Augen weit aufriß … Kalter Schweiß brach ihr aus allen Poren, tödliche Blässe entfärbte ihr Antlitz … Die blaue Schärpe, die sie auf dem Berge verloren hatte – dieselbe blaue Schärpe, die Alfons suchen gegangen war, sah sie zerfetzt und blutbefleckt auf dem Betpult vor sich liegen! …
Als die Diener entsetzt hereinstürzten, um ihr den Tod des Erben von Alcudiel zu verkünden, um ihr zu berichten, daß man seine Leiche, von den Wölfen zerfleischt, am frühen Morgen auf dem Geisterberge zwischen Gestrüpp entdeckt hatte, fanden sie ihre Herrin regungslos und zusammengesunken auf dem Bettrand sitzen, beide Arme krampfhaft um einen der Ebenholzpfosten geschlungen … Die Augen aus den Höhlen gequollen, den Mund halboffen, die Lippen leichenblaß, die Glieder starr und kalt … Sie war tot, war vom Entsetzen getötet!
Nicht lange nach dieser Begebenheit soll ein Jäger, der sich in der Allerseelennacht auf dem Geisterberg verirrt hatte und dort die Nacht verbringen mußte, am andern Tage schauerliche Dinge berichtet haben und bald darauf gestorben sein. Unter anderem will er gesehen haben, daß sich zur Stunde des Avemaria im Vorhof der Kapelle all die Gerippe der einstigen Tempelherren und der Junker aus Soria mit einem grauenhaften Geklapper aus den Gräbern erhoben hätten und, wie hinter einem wilden Tier her, einem schönen Weibe nachgejagt wären, das bleich, mit fliegenden Haaren und bloßen, blutigen Füßen unter gellendem Angstgeschrei immer im Kreise um Alfons’ Grabmal herumflüchtete …
Gäste zur Nacht von
Alexander Puschkin
Das literarische Werk Alexander Puschkins (1799-1837) ist das tragende Fundament der russischen Literatur, die ohne ihn ebenso wenig denkbar wäre wie ohne die russische Sprache. Puschkin war der erste wirklich nationale Dichter Rußlands. Zunächst noch von Lord Byron beeinflußt, wandte er sich in seiner reiferen Schaffensperiode immer mehr der russischen Volkspoesie zu. Wie er seinen Lenskij in dem Versroman ›Eugen Onegin‹ (1825, vollendet 1830) im Duell mit Onegin hatte sterben lassen, so wurde auch der Dichter selbst viel zu früh in einem Duell getötet.
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Das letzte Gerümpel des Sargtischlers Adrian Prochorow wurde auf den Leichenwagen geladen, und die beiden abgemagerten Gäule schleppten sich zum viertenmal von der Basmannajastraße zur Nikitskajastraße, wohin der alte Meister mit seinem ganzen Haushalt nebst Familie übersiedelte. Er sperrte seinen ausgeräumten Laden zu, brachte an der Tür einen Zettel an, darauf zu lesen war, daß das Haus zu verkaufen oder zu vermieten sei, und machte sich zu Fuß auf den Weg zu seiner neuen Wohnung.
Je mehr er sich dem gelben Häuschen näherte, das schon so lange seine Fantasie beschäftigt und das er schließlich für eine erhebliche Summe erworben hatte, desto stärker wurde ihm zu seinem Erstaunen bewußt, daß ihm der Umzug gar keine Freude bereitete. Als er über die ungewohnte Schwelle trat und in den neuen Räumen ein heilloses Durcheinander vorfand, seufzte er und dachte an seine alte Wohnung zurück, wo achtzehn Jahre lang die strengste Ordnung geherrscht hatte. Er begann, auf seine beiden Töchter und das Dienstmädchen zu schimpfen, und machte sich selbst daran, ihnen zu helfen.
Bald kam wieder alles in Ordnung: Ikonen- und Geschirrschrank, Tisch, Sofa und Bett erhielten die ihnen zugedachten Plätze im hinteren Zimmer; in der Küche und im Wohnzimmer wurden seine Erzeugnisse untergebracht, Särge aller Farben und Größen, ferner die Schränke mit den schwarzen Hüten, Trauermänteln und Fackeln. Über der Haustür hing ein
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