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18 Geisterstories

18 Geisterstories

Titel: 18 Geisterstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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ih­ren Na­men ru­fen hö­ren – aber aus wei­ter Fer­ne und wie von ei­ner er­stick­ten, schmerz­be­weg­ten Stim­me aus­ge­sto­ßen … An den Fens­ter­schei­ben heul­te der Sturm …
    »Es wird der Wind ge­we­sen sein!« sag­te sie und leg­te ih­re Hand aufs Herz, um es zu be­ru­hi­gen. Aber ihr Herz poch­te mit je­dem Au­gen­blick hef­ti­ger … Mit ei­nem schril­len, lang­ge­zo­ge­nen Krei­schen dreh­te sich die lär­che­ne Tü­re zum Bet­zim­mer in den An­geln …
    Und nun knarr­te und knack­te ei­ne Tür nach der an­dern – al­le Tü­ren, die in ih­re Ge­mä­cher führ­ten, nach der Rei­he – die einen dumpf und ernst, die an­de­ren schrill und kläg lich. Dann wie­der tie­fes Schwei­gen – aber ein Schwei­gen, an­ge­füllt mit selt­sa­men Ge­räuschen, das Schwei­gen der Mit­ter­nacht: mit dem ein­tö­ni­gen Ge­mur­mel des na­hen Ba­ches, fer­nem Hun­de­ge­bell, ver­wor­re­nen Stim­men, un­ver­ständ­li­chen Wor­ten, dem Wi­der­hall von Schrit­ten, die nä­her kom­men und sich wie­der ent­fer­nen, dem Ra­scheln von lan­gen, über den Bo­den schlei­fen­den Klei­dern, un­ter­drück­ten Seuf­zern, keu­chen­dem, fast zu ver­spü­ren­dem Atem … so daß man un­will­kür­lich zu­sam­men­fährt, wie vor ei­nem Et­was, das man in der Dun­kel­heit nicht sieht und doch spürt, wie es nä­her und nä­her kommt.
    Zit­ternd schob Bea­trix den Kopf durch die Vor­hän­ge, einen Au­gen­blick re­gungs­los lau­schend. Sie ver­nahm tau­sen­der­lei Lau­te – strich sie sich aber mit der Hand über die Stirn und lausch­te noch ein­mal: nichts, To­ten­stil­le …
    Und sie sah, wie sich über­all Ge­stal­ten be­weg­ten, hier­hin, dort­hin – aber ihr Blick war von je­nem phos­pho­ri­schen Glanz ge­blen­det, der sich in er­reg­tem Zu­stan­de ein­stellt. So­bald sie die Au­gen auf­riß und sie auf einen be­stimm­ten Punkt rich­te­te, war nichts mehr da, nur Fins­ter­nis, un­durch­dring­li­ches Dun­kel!
    »Ach was!« rief sie und leg­te ih­ren schö­nen Kopf wie­der aufs blaue At­las­kis­sen, »bin ich denn auch schon so ban­ge wie all die­se ar­men Ker­le hier, de­nen das Herz im Wam­se vor Ent­set­zen klopft, wenn sie nur ei­ne Ge­spens­ter­ge­schich­te hö­ren?!«
    Sie schloß die Au­gen und ver­such­te wie­der ein­zu­schla­fen. Aber um­sonst war all ihr Mü­hen, über sich Ge­walt zu be­kom­men. Es währ­te nicht lan­ge, so fuhr sie schon wie­der em­por – blei­cher, er­reg­ter, ge­ängs­tig­ter als vor­dem … denn jetzt war es kei­ne Täu­schung mehr: die Bro­kat­vor­hän­ge an der Tür hat­ten sich deut­lich hör­bar be­wegt, wie wenn sie aus­ein­an­der­ge­schla­gen wor­den wä­ren … und nun ver­nahm sie auch ein lang­sa­mes Tap­pen von Schrit­ten auf dem Tep­pich … Kaum ver­nehm­bar, so dumpf war der Hall der Schrit­te – aber es dau­er­te an … und bei je­dem Schritt knack­te et­was mit … wie Holz … oder … oder wie Kno­chen … Und sie ka­men nä­her … im­mer nä­her … da – das Bet­pult ne­ben ih­rem Bett hat­te sich be­wegt!! Bea­trix stieß einen schril­len Schrei aus, wi­ckel­te sich bis über die Oh­ren in die Bett­de­cke ein und wag­te nicht mehr zu at­men …
    Der Wind rüt­tel­te an den Bal­kon­tü­ren, daß die Fens­ter­schei­ben klirr­ten. Das Was­ser des na­hen Brun­nens fiel un­auf­halt­sam in den Trog, im­mer mit dem glei­chen ein­tö­ni­gen Plät­schern. An­schwel­lend mit je­dem Wind­stoß wur­de das Hun­de­ge­bell hör­bar. Und all die Glo­cken der Stadt So­ria, die einen nä­her, die an­de­ren fer­ner, läu­te­ten kla­gend für das See­len­heil der Ver­stor­be­nen.
    So ver­floß ei­ne Stun­de nach der an­de­ren, die Nacht – ach, ein gan­zes Jahr­hun­dert ging hin! Denn wie ei­ne Ewig­keit er­schi­en Bea­trix die­se ei­ne Nacht. End­lich grau­te der Mor­gen. All­mäh­lich über­wand sie ih­re Furcht­sam­keit und blin­zel­te den ers­ten Son­nen­strah­len ent­ge­gen.
    Wie schön ist doch nach ei­ner schlaflo­sen, angst­ge­quäl­ten Nacht das hel­le, wei­ße Ta­ges­licht! Sie schlug die sei­de­nen Bett­vor­hän­ge aus­ein­an­der und woll­te schon über den aus­ge­stan­de­nen Schre­cken la­chen, als sie plötz­lich die

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