18 - Orangen und Datteln
war zu vermuten, daß er sie so an das Pferd gebunden hatte, daß sie sich vollständig in seiner Gewalt befand.
So erreichten wir um die Mittagszeit die Berge von Schahia, von denen aus man über den Dra el Haua hinweg in das gefährlichste Gebiet Tunesiens hinabblicken kann – in das Gebiet der Schotts und Sebchas nämlich. Da unten, gerade im Süden von unserem Standort aus hatte ich vor mehreren Jahren auf dem Schott Dscherid ein grausiges Abenteuer erlebt, bei dessen Erinnerung sich mir noch heute die Haare sträuben wollten. Nichts ist so heimtückisch wie diese Schotts. Sie liegen da, hell und freundlich; ihre eisesähnliche Oberfläche blinkt und winkt so einladend, und doch lauert der verräterische Tod unter diesem lächelnden Äußern.
Südlich vom Dschebel Aures und der östlichen Fortsetzung dieser Bergmasse dehnt sich eine leicht gewellte, weite Ebene aus, deren Tiefungen ganz mit Salzablagerungen bedeckt sind. Sie führen als die Überreste von einstigen großen Binnengewässern in Algerien den Namen Schott und in Tunesien den Namen Sebcha und bestehen in der Hauptsache, von West und Süd aufgezählt, aus den drei großen Schotts Melrir, Rharsa und Dscherid. Der letztere wird auch el Kebir genannt. Da die Region el Areg (Sanddünen) nahe heranreicht, von welcher aus der feine, leichte Flugsand von dem Südwind stets nach Norden treibt, so sind die Einsenkungen des Schotts zum großen Teil mit tiefen, losen Sandmassen ausgefüllt, und nur in der Mitte des Schotts hat sich eine beträchtliche Wassermenge erhalten. Dieselbe ist von einer Salzkruste bedeckt, unter welcher das hellgrüne Wasser keinen ganzen Meter tief unvermischt bleibt, und dann folgt bis zu einer Tiefe von fünfzig und mehr Metern ein mehlartiger, flüssiger Sand, der alles, was durch die salzige Kruste bricht, mit lautloser, teuflischer Sicherheit festhält und begräbt.
Diese Salzkruste bildet nicht etwa, wie das Eis es tun würde, eine gleiche, ebene Fläche, sondern sie zeigt wellenförmige Erhöhungen und Vertiefungen. Sie ist im Durchschnitt vielleicht zwanzig, oft aber auch nur zehn und noch weniger Zentimeter dick und hat eine Farbe, welche dem bläulich schimmernden Spiegel geschmolzenen Bleies gleicht. Bewegt man sich auf ihr, so erwecken die Schritte einen Ton, der dem Klagen des Bodens der Solfatara in Neapel gleicht. Der unablässig sich in Bewegung befindende Flugsand gibt den Krustentälern ein dunkleres Kleid; er wird schwerer, bricht endlich durch und läßt hinter sich eine neue, weiße Stelle entstehen. Weht der Smum von Süden her, so kracht und knackt das Salz an allen Ecken und Enden, die Hitze brennt Blasen und reißt Löcher und Risse hinein, so daß sich das ganze Gefüge verändert. Noch schlimmer aber wirkt die Regenzeit. Die feuchten Niederschläge lösen die Salzdecke an ihren niedrigen Stellen auf; die Kruste sinkt in das Wasser ein, wird aber von dem schwimmenden Sand gehalten; oder aber dieser Sand ist so fein und leicht, daß er nach oben steigt und nun der Stelle das Aussehen der größten Festigkeit verleiht. Darum kann man bloß einzelne Stellen dieser Schotts, aber auch nur mit größter Lebensgefahr betreten. Und dennoch, man sollte es kaum glauben, führen einzelne Wege quer über die heimtückische Salzdecke, und zwar infolge des regen Verkehrs zwischen Tunis und den durch ihren Dattelreichtum berühmten Ländern Suf und Belad el Dscherid. Aber diese Wege sind wenigstens, ich sage wenigstens, ebenso gefährlich wie die verräterischen Pfade über einen bodenlosen lappländischen Sumpf. Sie haben eine Breite von kaum einem Fuß, erleiden ganz unvorhergesehene und nur schwer bemerkbare Veränderungen und erwecken in dem Wanderer das Gefühl, als ob er zur Winterszeit über eine glatt beeiste, viele Stockwerke hohe Dachfirste sich hinzubalancieren habe. Oft sinkt dieser Pfad so tief in das Wasser ein, daß das letztere dem Pferd bis über den Leib reicht; oft auch wird man von einer trügerischen Fata morgana zu Seite und in den sichern Tod gelockt. Gewöhnlich wird so eine Furt durch kleine Steinhaufen bezeichnet, welche der Beduine ‚Gmaïr‘ nennt; aber diese Zeichen werden öfters von dem Wasser verschlungen, oder der Wüstensohn gibt ihnen, um eine Rache auszuführen, eine andere Stellung, und wehe dann dem Ahnungslosen, der nur einen einzigen Schritt seitwärts tut – die Sebcha öffnet sich, der Mann verschwindet, der Schwimmsand umklammert ihn mit seinen schweren, nassen Armen, und
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