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18

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Titel: 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Luengen
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war mit Kies bestreut. Der Kerl zog sich die Whiskyflasche aus dem Hosenbund, legte sich lang hin und schloss die Augen. Ich lehnte mich mit dem Rücken an die Hauswand. Die Stimmen und die Musik waren noch zu hören. Ich aß noch etwas, kippte die Reste vom Teller in die Regenrinne und entkorkte die erste Flasche. Dann schraubte ich die Whiskyflasche auf, sagte: „Trink was“ zu dem Typ neben mir und hielt ihm die Flasche hin. Er schaute mich an, nahm die Flasche, richtete sich auf und nahm zwei große Schlucke. Es hätte ihn umhauen müssen, doch er reagierte relativ gelassen. Wir setzten uns nebeneinander an die warme Hauswand und schwiegen. Die Lampions leuchteten grell in der Dunkelheit, um sie herum schwirrten Mückenschwärme und andere Insekten. Von unten schallten nicht uninteressante Gespräche herauf und ein eigenartiges rhythmisches Schaben, als ob jemand einen Acker umgräbt. Dann hörte ich eine Stimme von oben, die meinen Namen rief. Ich drehte den Kopf nach hinten. Aus einer Dachfensterluke schaute der Kopf von Anns Bruder.
    „Hey, Semme“, rief er fröhlich. „Weißt du, wo meine Schwester steckt?“
    „Keine Ahnung.“ Er war keiner von den Boxern, fiel mir wieder ein. Zum Glück keiner von den Boxern.
    „So ein Mist. Sie hat mich angerufen, dass ich sie abholen soll. Sie hat Stress gehabt.“
    „So ein Pech“, sagte ich vorsichtig.
    „Sie sollte langsam mal den Führerschein machen, dann kann sie allein auf Tour gehen.“
    „Den Führerschein.“
    „Ja, sicher. Ich weiß gar nicht, wie ich sie nach Hause bringen soll. Was macht ihr denn da?“
    „Trinken. Was machst du da oben?“
    „Ihr macht es richtig. Ich komme gleich auf einen Schluck vorbei.“ Er war überhaupt nicht auf meine Frage eingegangen. Sein Kopf verschwand in der winzigen Dachluke. Ich lehnte mich wieder an die Hauswand. Der Typ neben mir hatte sich die ganze Zeit nicht bewegt.
    „Hast du schon mal eine Freundin gehabt? Eine richtige Freundin, meine ich?“, fragte er nun.
    „Weiß nicht“, antwortete ich.
    „Du kannst dir nicht vorstellen, wie toll das ist. Sie war so süß, und jetzt hat sie einen anderen, kannst du dir das vorstellen?“ Er erzählte sehr kompakt.
    „Ja“, sagte ich. „Das kann ich mir vorstellen.“
    „Ich nicht“, sagte er. „Ich fasse es nicht.“ Er nahm noch einen Schluck Whisky, und aus Solidarität nahm ich noch einen Schluck Wein.
    „Ist sie hier?“, fragte ich. Es sah mich an. Ganz erstaunt. „Nein“, sagte er. „Ich glaube, sie ist schon weg.“
    „Ihr kanntet euch schon länger.“
    „Fast zwei Jahre waren wir fest. Vorher kannte ich sie auch schon, und wir verbrachten gemeinsam Nachmittage und verstanden uns gut, und irgendwann stellten wir fest, dass es Liebe war. Also, ich stellte es fest. Sie stellte es scheinbar nicht fest oder stellte es wieder ab. Ich kannte sie sehr genau, vielleicht zu genau, ja, ich kannte sie zu genau.“ Er war froh, den Grund gefunden zu haben. Ich nickte. Er fuhr müde fort: „Sie war eine gute Person, sie war stolz und schön. Wir haben uns immer prächtig verstanden, es gab da keine Probleme. Ich weiß nicht, warum sie weg ist. Einfach so, von heute auf morgen, nichts gesagt vorher, sie hätte was sagen sollen, nicht? Ich hätte mich geändert, ich schwöre, dass ich mich geändert hätte. Gebessert. Ich habe immer alles gemacht, was sie wollte.“
    „Du kanntest sie zu gut“, erinnerte ich ihn und trank einen Schluck Wein. Es gluckerte im Magen.
    „Einmal“, fuhr er ohne Unterbrechung fort, „da hatte ich Karten besorgt für die Oper, war nicht einfach, was ganz Bekanntes, weiß nicht mehr was, und ja, und dann wollte ich sie abholen, und dann sagte sie, sie hätte heute Abend keine Lust auf Oper, ihr wäre nicht gut, und weißt du, was ich gemacht habe? Ich habe die Karten zerrissen, stell dir vor, hundert Mark einfach zerrissen und habe gesagt, schön, dann bleiben wir heute Abend eben hier.“
    „Und sie hat sich gefreut“, sagte ich.
    „Gefreut? Worüber denn gefreut?“, fragte er.
    „Dass du die Karten zerrissen hast.“
    „Nein, gefreut hat sie sich nicht. Warum soll sie sich auch freuen? Die Karten hatten hundert Mark gekostet. Sie hatte ihren Willen.“
    „Sie hatte ihren Willen.“
    „Erst mal keine Mädchen mehr.“
    „Keine Mädchen.“
    Wir lagen eine Zeitlang dort und starrten in die Nacht. Ich hörte auf die Musik und das Stimmengewirr und immer wieder dieses rhythmische Schaben.
    „Manche Männer leben

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