180 - Die Enkel der Astronauten
zugewandt und verließ den riesigen Steinsaal. Hinter ihm lösten sich drei Gestalten aus dem Schatten eines Felsvorsprungs und folgten ihm.
Es waren seine Bodyguards , wie die Leute sie nannten.
Einer hieß Snake und war ein alter Freund von Adam.
Über die anderen beiden war nichts in Erfahrung zu bringen. Rodriguez hatte sie Zebra und Skorpion getauft; nach den Tätowierungen, die ihre Körper bedeckten. Er klopfte Carlos ermutigend auf die Schulter. »Komm, lass uns nach oben gehen und was Vernünftiges essen!«
»Eine Flasche Wein wäre auch nicht schlecht«, seufzte Carlos und verließ mit Rodriguez den Felsendom.
Sie befanden sich fast tausend Meter unter der Erde am westlichen Ende der unteren Ebene von Red Toad. Ein langer Gang führte sie in eine große Höhle, von der mehrere Wege abzweigten. Rechts und links davon hatten Erosion und Wasser Jahrhunderte lang unzählige große und kleine Kammern in die Felsen gefressen.
Neben den Vorratsräumen sollten hier die meisten der Schlafplätze untergebracht werden.
Die offene Aufzugplattform hing an Stahlseilen aus einer Öffnung in der Decke. Sie hatten zwei Jahre gebraucht, um die sechs Ebenen des Höhlensystems mit einem Schacht zu verbinden. Die beiden Männer traten schweigend auf die Eisenplatte. Mit einem summenden Geräusch glitt die Konstruktion langsam nach oben, vorbei an den einzelnen Etagen von Red Toad.
»Hast du sie auch gesehen?« Rodriguez starrte in die Felsenräume, in denen Männer und Frauen marode Steindecken befestigten, Kabel verlegten, Treppen in die Steine schlugen oder über Bauplänen brüteten.
»Was meinst du?«, fragte Carlos.
»Die Wilden unten im Stollen!«
Carlos erinnerte sich, wie sie teils kriechend, teils gebückt den Stollen im Labyrinth gefolgt waren. An dessen Ende hatten mächtige Steinbrocken gelegen. Sie machten ein Vorwärtskommen unmöglich.
Rodriguez hatte den Strahl seiner Taschenlampe zwischen die Steine gerichtet. In den Nebelschwaden dahinter brach sich das Licht, und scheinbar endete der Stollen dort in einer Höhle. Doch plötzlich huschten Gestalten vorbei. Nur einen Augenblick hatte das gedauert, vielleicht den Bruchteil einer Sekunde, doch deutlich hatte Carlos die rot bemalten Körper und die blitzenden Augenpaare erkennen können.
»Ja, ich habe sie auch gesehen«, gab er widerwillig zu.
»Laut Plan führen die Gänge des Labyrinths bis zum Uluru. Hab ich Recht?« Carlos nickte stumm. »Dann stimmt es also, was Adam erzählt!« Rodriguez flüsterte; er war plötzlich sehr erregt. »Es gibt sie wirklich, die Wächter des Uluru!«
»Komm wieder runter, Rodriguez! Vielleicht hat uns der Nebel da unten einen Streich gespielt. Möglicherweise waren es auch Tiere, die sich verirrt haben!«
»Tiere auf zwei Beinen?« Rodriguez zwirbelte nachdenklich seine Schnurrbartenden zwischen den Fingern. »Glaubst du, es kommt wirklich? Das große Feuer der Anangu?«
Carlos verschränkte die Arme. »Nein!«, antwortete er ungeduldig.
Rodriguez lachte trocken. »Warum bist du dann noch hier? Du hast dein Zuhause aufgegeben, lebst in einem Camp mitten im Outback und schlägst dich täglich mit irgendwelchen Gespenstern rum? Weshalb?«
Carlos dachte an die Ingenieure, Techniker, Mediziner, Biologen, Geologen, Archäologen und all die anderen Menschen, die hier arbeiteten. Jeder war genau richtig für Red Toad, hatte seine Funktion bei der Entstehung dieser unterirdischen Stadt. Keiner machte den Eindruck, als ob er hier nur vorübergehend wäre. Alles wirkte wie ein sorgfältig ausgetüftelter Plan. Das faszinierte ihn.
»Mein Ziel ist es, Red Toad so zu bauen, dass die Anlage den Auswirkungen einer Katastrophe standhält und einige tausend Menschen hier unten Jahrzehnte überleben können.«
Dass er dabei von einer Kraft getrieben wurde, die wie Feuer in ihm brannte, verschwieg er seinem Freund; auch die panische Angst, nicht rechtzeitig fertig zu werden, die ihn immer häufiger überkam. Stattdessen fragte er mit rauer Stimme: »Und du? Warum bist du hier?«
Rodriguez schaute Carlos lange an. Wie ein Arzt, der abwog, ob sein Patient eine schreckliche Diagnose verkraften würde. »Etwas ruft mich. Es fordert mich auf, bereit zu sein, wenn es so weit ist. Irgendetwas wird geschehen, Carlos. Vielleicht kein Feuer. Möglicherweise ein Atomkrieg. Und dann werde ich genau hier gebraucht.«
***
Über Mount Olga erhob sich der volle Mond. Sein Licht tauchte Valley of the Winds in warmes Orange. Das Tal,
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