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180 - Die Enkel der Astronauten

180 - Die Enkel der Astronauten

Titel: 180 - Die Enkel der Astronauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell und Mia Zorn
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versteckt zwischen den Kuppeln der Kata Tjuta, war erfüllt von Stimmengewirr und Lachen. Zwischen Zelten und Containern leuchteten die Lagerfeuer. Carlos saß im dicken Norwegerpulli auf einem Klappstuhl. Der australische Winter war gerade vorbei und die Nächte noch empfindlich kalt. Der Spanier goss sich von dem herben roten Wein ein.
    Zwischen Tellern, leeren Schüsseln und Gläsern lagen zusammengerollt die Pläne für das Wasserrinnensystem der unterirdischen Stadt. Es sollte die Feuchtigkeit von den Felswänden sammeln und in künstliche Zisternen führen. Nach dem Essen hatte er sie mit Victoria Swaff und einigen Ingenieuren besprochen. Victoria war verantwortlich für die Wasserversorgung von Red Toad.
    Carlos ging das Gespräch mit Rodriguez nicht mehr aus dem Kopf. Eigentlich zählte er sich zu den liberalen Pragmatikern in Red Toad. Die spirituellen Traditionalisten mit ihrem Aberglauben gingen ihm zunehmend auf die Nerven. Seit neuestem nannten sie sich Clan des Ahnen . Bei ihren Treffen pflegten sie Rituale, die Carlos nicht verstand. Dennoch empfand auch er die eigenartige Euphorie, die den Clan während seiner Rituale erfasste. Sie verbannte jeden Zweifel. Carlos erinnerte sich dann an seine Träume, und selbst er, als Beobachter der Rituale, neigte in solchen Stunden dazu, an das kommende Feuer und an bevorstehende Wunder zu glauben.
    Carlos spürte den Wein seine Kehle hinunterlaufen. Er erfüllte ihn mit wohliger Wärme und machte ihn langsam schläfrig. Carlos war zufrieden. Er betrachtete die scharfen Umrisse der Felsen vor dem Nachthimmel.
    Zehn Schritte entfernt hockten einige der Kolumbianer am Feuer und pokerten um die Kuppeln der Kata Tjuta.
    Kata Tjuta hieß übersetzt Viele Köpfe . Insgesamt waren es sechsunddreißig.
    »Mount Olga gehört mir! Ihr werdet schon sehen!«, grölte ein stämmiger Bursche und warf einige Karten in den Sand. Ein zweiter behauptete, drei Erhebungen im Osten des Gebirges gewonnen zu haben. Carlos grinste vergnügt. Er mochte diese Männer, er mochte ihren Humor. Sie nahmen die Dinge nicht so ernst wie gewisse andere Leute hier im Baustellencamp.
    Wie aus dem Nichts stand plötzlich Joan neben dem Feuer und fuhr die Männer böse an: »Habt ihr denn gar keinen Respekt vor den Heiligtümern der Menschen hier?«
    »Aber Señora, es sind nur Steine! Und es ist nur ein Spiel, bitte sehr!«, verteidigte sich einer der Jüngeren.
    »Statt die Erde der Ahnen mit euren Karten zu beleidigen, solltet ihr besser zu den Treffen des Ahnenclans kommen! Dort würdet ihr lernen, die Macht dieser steinernen Kuppeln zu begreifen!«
    Während Joans Worte auf sie niederprasselten, beobachtete Carlos, wie die Männer die Köpfe einzogen.
    »Hey, Joan! Was soll das?«, rief er. »Sie haben hart gearbeitet! Lass ihnen doch ihren Spaß!«
    Joan kam mit großen Schritten auf ihn zu. »Spaß? Damit ist es bald vorbei! Begreifst du das immer noch nicht? Du als ein Führer solltest ihnen ein Vorbild sein!«
    »Meine Güte, Joan! Mach doch nicht solch einen Wirbel um ein kleines Spiel!« Carlos knallte sein Glas auf den Tisch.
    »Es ist kein Spiel! Sie müssen verstehen, um welch große Sache es hier geht!« Joan stand auf der anderen Seite des Tisches. Ihre Augen funkelten wütend.
    »Welche Sache kann schon so großartig sein, dass man über sie nur noch mit andächtigem Zittern in der Stimme und heiligem Schauer im Nacken reden dürfte?«, fragte Carlos spöttisch.
    Joan trat einen Schritt zurück und schaute ihn prüfend an. »Merkst du etwas, Carlos? Es liegen Welten zwischen dir und Red Toad!« Ihre Stimme klang wie Glas, das über Felsen schlitterte. Sie drehte sich um und verschwand in der Dunkelheit.
    ***
    New York City, Herbst 2010
    Sean Bernstein legte den Hörer auf, ballte die Fäuste und begann durch sein Wohnzimmer zu tanzen. »Ja! Ja! Ja!«, jubelte er.
    Ein guter Tag! Ein fantastischer Tag! Der bisher schönste Tag seines Lebens!
    Am Morgen, noch vor dem Frühstück, hatte ihn ein Anruf seines Kommandeurs erreicht: Die NASA hatte seiner Bewerbung um einen Einsatz auf der Internationalen Raumstation zugestimmt! Das Frühstück wurde zu einem Sektempfang für die Familie, die Nachbarn und alle Freunde, die in der Nähe wohnten.
    Das Mittagessen mit seinen Geschwistern und Eltern war ein stundenlanger Festschmaus gewesen. Am Nachmittag dann das Fax mit der offiziellen Bestätigung: In etwas mehr als einem Jahr würde es hinauf zur Internationalen Raumstation gehen.

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