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1801 - Die Herreach

Titel: 1801 - Die Herreach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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fragst dich, weshalb ich dich nach Keerioch schickte, wenn ich so große Stücke auf dich halte? Du dachtest anscheinend, du seist einer Intrige zum Opfer gefallen. Das ist Unsinn! Keiner meiner Mahner besitzt diese Macht. Du mußtest nach Keerioch, um dich in einer fremden Umgebung zu behaupten und als rangoberster Priester dein Selbstverständnis zu entwickeln. Nun erfährst du es früher als geplant. Aber das ist jetzt egal. - Verlasse mich nun, ich bin sehr müde. Wenn ich noch erleben will, was du über das Ungeheuer herausfindest, muß ich mit meinen Kräften haushalten."
    „Ich verstehe", sprach Dourmel. „Wann fange ich an?"
    Der Künder kam halb von seinem Lager hoch, sichtbar ärgerlich über die Frage. „Habe ich dich nach Keerioch geschickt, um mir am Ende doch unselbständiges Geschwätz anzuhören?"
    Dourmel wich einen Meter zurück. Im ersten Augenblick war er erschrocken, dann aber sehr gefaßt.
    „Nein", sagte er, „ich treffe die Entscheidung allein. Ich lasse es dich wissen, wenn etwas von Bedeutung geschieht."
    Damit drehte er sich um und verließ die Kammer.
    Draußen vor der Tür wartete immer noch Lo Bestos. Der andere betrachtete ihn mit glühendem Haß, und er hielt es nicht einmal für notwendig, seinen Blick zu verbergen. Als Mahner stand Lo weit über Dourmel.
    Aber nach dem, was er soeben wohl mit angehört hatte, wagte er es nicht, seinem einstigen Rivalen eine Weisung zu erteilen.
    Dourmel suchte sich eine Kammer in einem abgelegenen Flügel des Bethauses, wo reisende Prediger logieren konnten. Er brauchte Zeit, um nachzudenken und sich auszuschlafen.
     
    *
     
    Nach seiner Schlafperiode erwachte Dourmel ausgeruht und mit frischen Vorsätzen. Er hatte ein paar unangenehme Dinge zu erledigen. Dann erst kamen das Gebet und das Ungeheuer an die Reihe. ‘ Lo Bestos war ein hochstehender Mahner, also wohnte er im obersten Stockwerk. Auf seine Fragen erhielt Dourmel den Weg beschrieben; man sagte ihm, der Mahner habe sich soeben ins Schlafgemach zurückgezogen.
    Dourmel suchte sich einen Knüppel, der aus bedeutungslosen Gründen irgendwo herumlag, betrat so leise wie möglich Lo Bestos’ Kammer - und schlug mit aller Kraft auf den liegenden Körper ein, bis der sich nicht mehr bewegte. Die transparente Haut platzte an mehreren Stellen auf, der Schädel brach. Große Mengen Körperflüssigkeit quollen hervor. Dourmel beugte sich hinunter und untersuchte Lo Bestos’ Leichnam. Es drohte keine Gefahr mehr. Lo würde ihm bei den wichtigen Entscheidungen, die in Zukunft anstanden, nicht mehr stören können.
    Nebenbei - und das war fast noch wichtiger - wurde durch das ungewöhnlich beherzte Vorgehen ein violettes Gewand frei.
    Dourmel streifte sich die Kutte mit dem ovalen Rückensymbol über und verließ die Kammer.
    Spätestens wenn die Leiche zu stinken anfing, würde man Lo entdecken und fortschaffen. Daß der Täter dann bekannt wurde, störte Dourmel nicht. Wer hätte über ihn urteilen sollen? Morde waren selten, sie waren bei den Herreach nicht gern gesehen, aber sie kamen vor. So etwas wie Freunde hatte Lo nicht besessen, und der oberste Künder würde kaum etwas zu Dourmels Bestrafung unternehmen.
    Der erste Weg führte zu den übrigen Mahnern.
    Es waren sechs außer ihm, und keiner zweifelte an Dourmels Recht, das violette Gewand zu tragen.
    Eigentlich war alles sehr einfach. Mit Hilfe einiger Priester rief er die Clerea zusammen, die am Gebet beteiligt waren. Wer gerade schlief, den ließ erwecken. Noch in derselben Stunde begann der Vorgang von neuem.
    Unter Dourmels Anleitung gruppierten sich die knapp tausend Personen zu einem scheinbar willkürlichen, in Wahrheit mit Bedacht zusammengesetzten Haufen. Das Innere des Betfeldes war von, hohen Mauern umschlossen. Von hier aus konnte man den Kummerog-Tempel nicht erkennen. Aber sie spürten allesamt die Nähe ihres Gottes.
    Sie dachten an den Eingeschlossenen, den sie aus seinem Gefängnis Lokken wollten, dem sie irgendwie die Pforte öffnen mußten.
    „Kummerog ist der Gott, der hinter den Toren des Tempels wartet. In ferner Zukunft werden sich die Tore öffnen, und der Gott Kummerog wird durch die Pforte treten. Dann wird der Himmel sich öffnen, und eine strahlend helle Hälfte und eine dunkle werden zum Vorschein kommen ..."
    Dourmel fühlte geistige Energie. Es war so viel wie niemals vorher, wie er es niemals auf so engem Raum wahrgenommen hatte. Niemand sagte ein einziges Wort; die Clerea wagten kaum zu atmen, bis sie

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