1802 - Stiefkinder der Sonne
schwer. Als sie sich probeweise mit einem Fuß abstieß, holperte das Lauf-Liege-Rad polternd über das Pflaster. Die eisernen Schuppen erzeugten ein dumpfes Klacken.
„Und das alles ohne verräterische Emission", stieß sie lachend hervor.
„Warte!" rief Gloom Bechner.
Zu spät. Sibyll bog soeben um die nächste Ecke. Das schneller werdende Klacken hallte in dumpfem Echo zurück.
Wer das nicht hörte und aus dem Schlaf gerissen wurde, mußte taub sein. Bechners Blick huschte die Häuserfront entlang. Die Nachtsichtoptik zeigte ihm eiförmige, fahle Gesichter, die gebannt auf die Straße blickten. Die Wesen schienen ihn längst zu beobachten.
Ein gellender Aufschrei erklang und brach abrupt ab: Sibyll Norden.
Gloom Bechner und Mirco Adasta sprinteten gleichzeitig los. Das Laufrad lag auf dem Pflaster und drehte sich noch. Nebelschwaden krochen über das Pflaster.
„Sibyll!"
Nichts. Bechner rief lauter. Es war ihm egal, ob er die Trokaner erschreckte und die erste Begegnung mit ihnen verpatzte. Womöglich waren sie gar nicht so friedfertig, hatten Sibyll angegriffen und verschleppt.
Er erreichte das Rad. Nichts deutete auf einen Kampf hin. Ohnehin waren nur Sekunden vergangen. Der Kameramann drehte sich um die eigene Achse und filmte ununterbrochen - die enge Gasse, die dicht stehenden Häuser. Auch er hatte die bleichen Gesichter hinter den verzerrenden Fensterscheiben bemerkt. Warum zeigten sich die Trokaner nicht offen?
Das Pflaster war feucht und zum Teil schmierig. In fahlen, geisterhaften Schwaden floß Nebel durch die Gasse. Er stieg vom nahen Fluß auf, der einige Grad wärmer war als die Umgebungstemperatur, und er kondensierte nicht nur auf dem Pflaster, sondern auch auf den Scheiben.
In einer der Fensterhöhlen glomm das fahle Licht einer Glühbirne. Vorübergehend waren die Umrisse einer hochgewachsenen hageren Gestalt zu erkennen gewesen.
Menschenähnlich? Spätestens die Auswertung der Kameraaufnahmen würde es zeigen.
Zehn, fünfzehn Schritt weit war Gloom Bechner in die Gasse hineingelaufen, die Hand am Griffstück des auf Paralyse geschalteten Kombistrahlers. Überlaut dröhnte das Rasseln der eigenen hastigen Atemzüge in seinen Ohren. Aber da war auch ein anderes Geräusch, ein seltsames, undefinierbares Schlurfen. Schwer zu sagen, von wo es kam, das Echo klang verzerrt, und der dichter werdende Nebel tat ein übriges dazu.
Vieles auf Trokan wird sich verändern, zuckte es Bechner durch den Sinn. Das Temporalfeld hat für nahezu konstante Temperaturen gesorgt. Aber jetzt kühlte das Land nachts ab und ...
Das Gefühl, beobachtet zu werden, wurde unerträglich. Brennende Augen starrten ihn an, das glaubte Bechner überdeutlich zu spüren.
Er fuhr herum.
Das Geräusch platschender Schritte erklang von der gegenüberliegenden Häuserfront. Krallen schleiften über rauhes Ziegelpflaster. Und war da nicht ein leichtes Flirren in der Luft? Die spärliche Helligkeit machte es schier unmöglich, mehr zu erkennen.
Jetzt erst entdeckte Bechner den offenen Zugang zu einem der Häuser. Sibyll stand in der Türöffnung.
Sie winkte heftig.
Unheimliches geschah. Ein auf dem Pflaster liegendes ovales Etwas - wäre er auf der Erde gewesen, hätte Gloom Bechner es für eine Art Kinderspielzeug gehalten - wurde von einer unsichtbaren Kraft zerdrückt.
Das Nachtsichtgerät vermittelte dem Terraner deutlich, wie dieses Etwas plattgedrückt wurde und auseinanderbrach.
Mirco Adasta war wie erstarrt. Er filmte ohne Unterlaß, zeichnete das Geschehen in allen Details auf, mehr vielleicht, als sich mit bloßem Auge erkennen ließ.
„Bringt euch in Sicherheit!" hallte Sibylls Stimme durch die Nacht. „Ich werde ..."
Das entstehende, nur als vages Flirren wahrzunehmende Monstrum - zwei kurze Säulenbeine stampften über das Pflasterwandte sich der Frau zu. Zwei bis zweieinhalb Meter groß war es bereits und schien noch weiter wachsen zu wollen, und es näherte sich zielstrebig dem Hauseingang, in dem Sibyll Norden Zuflucht gesucht hatte.
Bechner spurtete los. Im Laufen feuerte er den auf Paralyse geschalteten Kombistrahler ab. Ein Tentakel peitschte heran, wirbelte den Nebel auf und prallte schmerzhaft gegen seine Beine. Er stürzte, rollte sich jedoch geschickt ab und kam sofort wieder hoch gerade rechtzeitig, um einem zweiten Hieb ausweichen zu können.
Bevor er zum zweitenmal schießen konnte, löste das Gebilde sich vollständig auf.
„Hinter dir, Gloom! Paß auf!"
Zwei wirbelnde,
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