1803 - Der Riese Schimbaa
elf Jahre nach dem Untertauchen der Aktivatorträger, verschwand ein hoffnungsvoller junger Wissenschaftler, vermutlich in einem Rekrutierungsbüro auf Olymp. Genau ließ sich das nie nachvollziehen. Sein Name dürfte dir bekannt vorkommen: Attaca Meganon."
„Donnerwetter!" entfuhr es dem Kommissar. „Das ist in der Tat eine Überraschung. Der Mann könnte mit jener Meganon-Welle zu tun haben, die Perry im Gespräch erwähnte."
„Deshalb sage ich es dir, Cis. - Wie ist Trokan?"
Gias Gedankensprung kam überraschend. Bis Khan sich entsann, daß die Leiterin des Liga-Dienstes eine waschechte Marsianerin war. Wie jeder Marsgeborene hatte sie eine besondere Beziehung zu ihrer Heimatwelt - vor allem seit feststand, daß sie den Mars nie Wiedersehen würde.
„Trokan ist ein schlechter Ersatz", sagte er. „Du versäumst nichts, wenn du ihn nicht siehst."
Ein Hauch von Traurigkeit war in den Augen der Frau zu lesen.
„Das wollte ich nur hören", sagte sie.
Khan nickte ihr stumm zu. Dann erlosch die Verbindung.
„Servo, nur noch Anrufe der Dringlichkeitsstufe durchstellen!"
Cistolo Khan lehnte sich wieder zurück und schloß die Augen. Die Ruhe, nach der er sich sehnte, fand er jedoch nicht. In Gedanken sah er eine Flotte von Schiffen wie die GILGAMESCH aus dem Hyperraum hervorbrechen.
Bevor seine dringenden Anfragen beantwortet wurden, eröffneten die Schiffe das Feuer. Gigantische Transformexplosionen veränderten die Struktur des Weltraums.
Zum Glück war das alles nur eine Vision.
*
Ein tiefes, langanhaltendes Brummen dröhnte durch das unterirdische Gemäuer. Von einem Augenblick zum anderen hatte es begonnen, und sogar die dünne Luft schien mitzuschwingen.
„Kammerton a", bemerkte Sibyll Norden wie beiläufig. „Der große Festspielchor der Herreach beginnt mit den Proben."
Mirco Adasta bedachte sie mit einem zweifelnden Blick. „Das ist nicht lustig", sagte er. „Ganz und gar nicht. Was immer die Herreach tun, ich halte es für gefährlich."
Die unterirdische Anlage war nicht sehr weiträumig, bot aber dennoch mindestens tausend Herreach Platz.
Der Ton wurde vielschichtiger, einzelne Stimmlagen waren herauszuhören. Eine getragene Melodie.
Bechner erschien es, als greife etwas nach seiner Seele, ein beruhigender Einfluß.
Seine Schritte wurden langsamer, er hielt inne, verharrte lauschend.
Die Herreach sangen wieder. Eine eigenartige Faszination.
Ruhe durchflutete ihn. Gloom Bechner spürte, daß sein Atem langsamer wurde; sein Körper schwang mit wie die angeschlagene Saite eines Instruments.
„Sie beten", flüsterte Sibyll neben ihm.
Die Stimmen wurden lauter und fordernder. Die Herreach riefen ihren Gott. Sie standen dicht an dicht, ihre Körper wiegten sich im Rhythmus der Melodie.
Im Hintergrund wogte Nebel. Die Umrisse einer wuchtigen Gestalt formten sich ...
„Er kommt wieder!" stieß Sibyll viel zu laut hervor. „Diese plumpe Erscheinung ist unverkennbar."
Der Sprechgesang verstummte jäh. Der Nebel verwehte. Wie erstarrt standen die Herreach da, und nur einige wandten sich langsam um.
Sibyll versuchte ein gequältes Lächeln, eine Geste, die wohl keiner der Eingeborenen zu deuten vermochte. „Verzeiht", murmelte sie. „Ich wollte euer Gebet nicht stören. Tut mir leid."
Sie hätte das Gefühl, gegen eine Wand zu reden. Die Herreach blickten durch sie hindurch, straften sie mit Mißachtung. Von neuem begann ihr mitreißender Gesang.
Eine Berührung an der Schulter ließ die Frau zusammenzucken. Roban Gom stand hinter ihr. Sie erkannte ihn an den milchigen Einschlüssen in seiner Haut, vielleicht eine Art Pigmentierung. Aber so nahe wie ihm war sie noch keinem Herreach gewesen; sie mußte den Kopf in den Nacken legen, um zu ihm aufzuschauen. Vor ihr pulsierte sein Innenleben. Zögernd hob sie die Arme, legte ihre Handflächen auf die unbehaarte nackte Brust. Sie wußte selbst nicht, warum sie das tat. War es nur Neugierde? Der Reiz des Fremden?
Sie spürte Goms Atemzüge an ihrer Stirn. Sein Nas-Organ blähte sich auf. Sanft, beinahe übervorsichtig, schob er Sibyll zur Seite und trat auf Adasta zu.
„He", schnaufte der Kameramann überrascht, „du bist nicht ganz durchsichtig, du ..." Roban Gom nahm ihm das Aufzeichnungsgerät ab. „Gib das wieder her, du - du Glaswels! Das geht dich nichts an."
Unschlüssig drehte der Herreach die Kamera zwischen den Fingern. Ohne daß er es wußte, starrte er in das Optikfeld. Jede Hautpore mußte in der Aufnahme
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