1803 - Der Riese Schimbaa
Bereich der Millionenstadt Moond. Die Erschütterungen lagen an der Grenze des Meßbaren, deshalb speicherte der Syntron zwar die Daten, leitete aber keine Meldung weiter.
Genau sieben Minuten und achtzehn Sekunden danach bebte die Erde. Schon innerhalb der ersten Augenblicke trafen besorgte Anfragen der auf dem Tempelplatz arbeitenden Wissenschaftler ein. Nur wenige zogen ein Erdbeben als Ursache in Erwägung; vielmehr bestand die fast einhellige Meinung, die Neutralisationsversuche an dem fünfdimensionalen Energieschirm, der den Tempel umgab, hätten die Erschütterungen ausgelöst.
Die Entwarnunghinsichtlich des Schirmfelds ließ jedoch nicht lange auf sich warten, denn das Epizentrum wurde in exakt 3,2 Kilometer Tiefe lokalisiert. Brüchiges Felsgestein in Verbindung mit erhitztem Tiefenwasser war für das Beben ursächlich gewesen. In der Folge traten mehrere schwallartige Nachbeben auf, doch sie blieben ohne Auswirkung.
„Trotzdem stehen weitere und vor allem stärkere Beben bevor", wandte sich Chefwissenschaftler Thooker an den LFT-Kommissar. „Die Messungen haben ergeben, daß sich in der äußeren Planetenkruste deutliche Spannungen aufbauen. Nach Jahrmillionen gleichbleibender Temperatur bringt nun das TagNacht-Gefälle Schwankungen von zwanzig Grad und mehr."
„Wie akut ist die Gefahr?"
„Das kann noch niemand genau sagen. Vielleicht nicht bedrohlicher als die zu erwartenden atmosphärischen Turbulenzen. Über den Polen bilden sich massive Tiefdruckgebiete heraus. Wir müssen damit rechnen, daß Blizzards und Hurrikans weite Schneisen der Verwüstung schlagen."
„Trotz der dünnen Atmosphäre?"
Fahrig wischte sich der Mönch der Streppen-Kirche durch das kurze schwarze Haar und massierte anschließend ausgiebig seine Tonsur.
„Die Windgeschwindigkeiten werden nicht so verheerend sein, wie wir sie kennen", sagte er, „den Herreach dürften sie dennoch wie der Anfang eines Weltuntergangs erscheinen."
„Mehr als achtzig Prozent der Oberfläche Trokans liegen brach", erinnerte Cistolo Khan.
„Was nicht heißt, daß jeder Hurrikan die großen Städte meiden wird. Bei der leichten Bauweise ..."
„Schon gut, ich habe verstanden", unterbrach der Kommissar den Redeschwall des Chefwissenschaftlers. „Unsere Schiffe im Orbit werden dafür sorgen, daß die Stürme nicht zur tödlichen Gefahr werden. Notfalls verfügen wir noch über die dreitausend Einheiten der Wachflotte."
„Ich empfehle eine Simulation der Entwicklung auf Trokan", sagte Thooker.
Khans Blick nagelte ihn fest; dem Charisma des LFT-Kommissars konnte auch er sich nicht entziehen.
„Mit welcher Wahrscheinlichkeit werden die berechneten Ergebnisse eintreffen? Nach meinem Dafürhalten wissen wir noch viel zuwenig über Trokan. Zweihundertfünfzig Millionen Jahre Weiterentwicklung machen sämtliche Speicherdaten zu Makulatur."
„Dreißig Prozent", gab Thooker knapp bekannt. „Mehr nicht."
„Und genau deshalb mache ich die Pferde noch nicht scheu. Es sei denn, Myles Kantor oder du oder irgendwer sonst legen mir unmißverständliche Daten vor. Das war’s." Khan unterbrach die Bildfunkverbindung und wandte sich an den Syntron: „Welche Meldungen treffen von den Hilfstrupps aus Moond ein?"
„Bisher keine nennenswerten Schäden", antwortete der Bordrechner. „Nur eine Handvoll Häuser sind eingestürzt, andere weisen Risse und Verschiebungen auf. Über Verletzte oder gar Tote unter der Bevölkerung liegen noch keine Zahlen vor."
„Besteht Bildübertragung?"
Ein Hologramm entstand. Es zeigte einen der für Moond typischen Straßenzüge. Herreach hatten sich versammelt und gafften, doch keiner traf Anstalten, mit Hand anzulegen. Und immer mehr strömten aus den umliegenden Gassen herbei und behinderten die Rettungstrupps, die mit Antigravprojektoren, Zugstrahlen und Desintegratoren den Schutt beseitigen. In ihrer Neugierde brachten sie eher noch sich selbst in Gefahr.
Kopfschüttelnd stellte Cistolo Khan eine Verbindung zu NATHAN her. Er verlangte von der lunaren Supersyntronik eine Simulation der auf Trokan zu erwartenden Umweltschäden.
NATHAN antwortete, daß eine zuverlässige Aussage aufgrund der bisher vorliegenden Datenmenge nicht möglich sei. Außerdem forderte die Syntronik weitere Messungen über die atmosphärischen Gegebenheiten an, ebenso wie Nachweise über Dichte, Struktur und Ausdehnung der tektonischen Platten. Die Temperatur im Planetenkern war dabei ebenso wichtig wie die Fließrichtung vorhandener
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