1803 - Der Riese Schimbaa
täusche, war er selbst vor vielen Schlafperioden in dem Labyrinth. Der Krater in der Ebene, tausend Kilometer von Moond entfernt, ist alles, was von Norrfa übrigblieb."
„Ayindi", sagte Cistolo Khan. „Wenn das nicht der Beweis ist, den wir suchen! Die Explosion, die unsere Meßgeräte durch den Zeitraffer-Schirm hindurch registriert haben und die wohl für den Ausfall des Temporalfelds ursächlich war, hat sich in einem der uralten AyindiArchive ereignet. Es würde - mich nicht wundern, wenn die Herreach dabei ihre Finger im Spiel hatten. Aus Spiel und Neugierde wurde schon oft tödlicher Ernst."
„Punkt zwei", fuhr Bruno Drenderbaum ungerührt fort. „Wir haben unseren kleinen Ausflug genutzt und die SpaceJet der Terrania News Report aufgespürt. Drüben, im Mittelgebirge, gut getarnt, aber doch wieder nicht gut genug."
„Und Bechner?"
„Hat vielleicht in diesem Moment dein Konterfei in der Optik und gibt seinen bissigen Kommentar dazu ab. Der Herreach, den wir an Bord genommen haben, hatte den Hyperfunksender mit dem letzten Nachrichtenspot bei sich. Ich hoffe, daß er uns zu Bechners Versteck führen wird."
„Was ist mit dem Blizzard?"
„Ich überspiele die Daten an den Syntron der PAPERMOON."
*
Gloom Bechner mußten die Ohren geklungen haben. Jedenfalls bedeutete er dem Kameramann, daß er nicht noch mehr Aufnahmen des Tempelplatzes mit dem riesigen Bohrkopf-Tempel, der PAPERMOON und den betenden Herreach haben wollte. Auch die Wissenschaftler und Techniker, die mit ihren Gerätschaften den Tempel belagerten, waren zu Genüge abgespeichert, teils in extremen Vergrößerungen.
Die Bilder mußten eindrucksvoll wirken, wie eine Bombe einschlagen. Damit zwanzig Milliarden Intelligenzen im Solsystem für die nächsten Stunden wieder ausreichend Gesprächsstoff hatten.
Mirco Adasta hatte Cistolo Khan in der Menge entdeckt und zoomte ihn nahe heran.
„Wo bleibt der Aufschrei der Unterdrückten?" fragte Gloom Bechner lauernd. „Hier werden Gefühle verletzt, wird religiöses Empfinden mit Füßen getreten. Niemand hat die Herreach gefragt, ob sie mit den Experimenten einverstanden sind."
„Das weißt du nicht", sagte Sibyll schroff.
„Und wennschon." Bechner zuckte mit den Achseln. „Ich weiß es nicht, aber auf Terra weiß es erst recht niemand."
„Und ausgerechnet du sprichst von religiösem Empfinden."
„Was dagegen, Schatz? Egal, ob die Wahrheit wirklich wahr ist, wir müssen Stimmung machen, Emotionen wecken."
Rumpelnd und fauchend, in eine Wolke aus Rauch und Wasserdampf gehüllt, näherte sich hinter ihnen eine kleine Lokomotive mit einer Vielzahl von Waggons. In Trauben hingen Herreach auf den Trittbrettern und krallten sich an den Fensteröffnungen fest. Wenn die Stadtbahn im Normalfall drei- bis vierhundert Personen Platz bot, so war sie jetzt mit mindestens der doppelten Passagierzahl besetzt.
Die Haltestelle lag am Rand des Tempelplatzes. Die Herreach drängelten und stießen und schoben, und jeder schien der erste sein zu wollen, der sein Ziel erreichte. Minutenlang herrschte ein unbeschreibliches Durcheinander, bis der Träger einer violetten Kutte für Ordnung sorgte.
Ein Pilgerzug war eingetroffen. Einer von vielen, die in Moond erwartet wurden. Die Nachricht von den Ereignissen am Kummerog-Tempel hatte sich über die Telegrafenleitungen in Windeseile verbreitet, und nun waren Pilger aus allen Teilen der Welt unterwegs - mehr als je zuvor, seit das riesige Bauwerk zum Lebensinhalt der Herreach geworden war.
„Moond wird aus allen Nähten platzen", stellte Sibyll Norden erschrocken fest. „Eine Million Bevölkerung und dann noch mindestens zwei Millionen Pilger. Wie sollen alle diese Leute versorgt werden?"
„Das ist nicht unser Problem." Bechner sprang auf den anfahrenden Zug auf. „Komm endlich, das ist die beste Gelegenheit für eine Stadtrundfahrt!"
Mehr als doppeltes Schrittempo schaffte der Zug nicht. Herreach mit glosenden Fackeln drängten sich in den Gassen, ein vierrädriger, von Tieren gezogener Karren polterte vorbei. Lautstark bot ein Händler Japis-Früchte an, besonders wasserhaltig und halb geschenkt.
„Lebensmittel, Wasserversorgung, Hygiene", begann Sibyll von neuem. „Bei einem derartigen Ansturm von Pilgern ..."
„Das ist Cistolo Khans Problem, nicht unseres", fiel ihr der Chefreporter ins Wort. „Ändern können wir ohnehin nichts."
Der Zug ratterte über eine Brücke über den Taumond. Kloakengestank vermischte sich mit
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