1810 - Gier auf Leben
damit seinem Schicksal überlassen. Er musste die Untote auf sich lenken.
Sie schrie. Ihr Kopf zuckte von einer Seite zur anderen. Sie suchte nach Beute. Die Gier nach Blut steigerte sich immer noch. Sie konnte das Blut riechen, aber sie kam nicht an es heran, wie sie es sich gewünscht hätte.
Dass jemand unter der Tür lag, hatte sie nicht richtig mitbekommen. Sie sah dann Johnny Conolly, der ihr ausgewichen war und sich nun vor ihr aufgebaut hatte …
***
Auf der Fahrt zu diesem Wohnsilo dachte ich darüber nach, wie ernst die Situation sein konnte. Ob alles zutraf und ich gebraucht wurde oder ob Johnny übertrieben hatte.
Das allerdings glaubte ich nicht. Er war nicht der Typ, der das tat. Er wusste, was Verantwortung war, und deshalb glaubte ich ihm auch. Meinen ältesten Freund Bill Conolly, der zugleich Johnnys Vater war, hatte ich nicht angerufen. Ich wollte ihn nicht nervös machen, und so fuhr ich weiterhin allein auf den großen Wohnblock zu, in dem nur Studenten wohnten.
Durch London zu fahren und es eilig zu haben macht keinen Spaß. Deshalb hatte ich auch das Blaulicht auf das Dach gestellt, hin und wieder ließ ich die Sirene aufjaulen.
Der Turm stand recht einsam. Einsam deshalb, weil sich um ihn herum keine anderen Häuser befanden, sondern große Rasenflächen, die von den Betonpisten der Parkplätze unterbrochen wurden.
Parken konnte man hier wunderbar. Es gab jede Menge freie Plätze. So konnte ich bis an das Haus heranfahren.
Ich hatte den Parkplatz noch nicht erreicht, als mir auffiel, dass etwas nicht stimmte. Es lag an der offenen Haustür und daran, dass schon einige junge Leute im Freien vor der Tür standen und diskutierten. Sie redeten hastig aufeinander ein und bewegten dabei ihre Arme und Beine. Irgendetwas war passiert, und die Ahnungen in meinem Innern wuchsen zur Besorgnis an.
So dicht am Haus wie möglich stellte ich meinen Wagen ab. Ich nahm mir keine Zeit, sondern war ziemlich schnell bei den Studenten, die mir entgegenschauten und mich misstrauisch anstarrten.
Ich zeigte meinen Ausweis. »Bitte, was ist hier los?«
»Es gibt Ärger.«
»Mit wem?«
Der junge Mann, der mir die Auskunft gegeben hatte, sprach weiter. »Da oben ist ein Kampf im Gange.«
»Wer mit wem?«
»Angeblich eine Vampirin mit Bruce Garner und einem Fremden.«
Ich hatte genug gehört. Ich wusste von Johnny, dass ich in die sechste Etage musste, und nahm deshalb den Lift.
Ich der Kabine lockerte ich meine Waffe und verspürte plötzlich Angst um Johnny. Es war nicht einfach, gegen eine Vampirin zu kämpfen, die einem Menschen körperlich weit überlegen war. Man kam gegen ihre Kräfte nicht an, und man brauchte entsprechende Waffen, um sie sich vom Leib zu halten oder zu töten.
Der Lift stoppte.
Die Tür musste ich selbst aufdrücken. Ich hatte nicht mal die Hälfte geschafft, als ich bereits den Lärm hörte, der mich von der rechten Seite des Flurs erreichte.
Ich fuhr herum.
Die Distanz war nicht groß. Ich konnte den Ort, an dem gekämpft wurde, mit wenigen Schritten erreichen. Ich brauchte auch nicht genauer hinzuschauen, um zu sehen, wer sich da abmühte.
Es war Johnny Conolly, der sich gegen eine schwarzhaarige und ganz in Schwarze gekleidete junge Frau behaupten musste. Beide kämpften, beide wollten nicht aufgeben, aber ich kannte das Spiel. Eine Wiedergängerin konnte mit Händen und Füßen nicht besiegt werden. Dazu brauchte man schon besondere Waffen.
Johnny befand sich in der Defensive.
Die Blutsaugerin trieb ihn vor sich her, und Johnny hatte keine Möglichkeit, ihr auszuweichen. Er prallte gegen die Wand, duckte sich und wollte an der Vampirin vorbei den Flur entlang rennen, und zwar in meine Richtung.
Er schaffte es nur halb, denn die Untote setzte zu einem Sprung an und bekam ihn zu fassen. Zumindest mit einer Hand, doch das reichte aus, um ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Er kam zwar noch von der Wand weg, stolperte aber dann über seine eigenen Füße und landete auf dem Boden.
Das hatte die Untote gewollt. Sie stieß einen Triumphschrei aus und sprang nach vorn. So landete so nah neben Johnny, dass sie nur zuzupacken brauchte, wenn er hoch kam.
Das wusste er und rollte sich von ihr weg.
Sie fasste nach.
Und in ihre Bewegung traf sie der harte Klang meiner Stimme.
»Finger weg, Bestie!«
***
Es war, als hätten meine Worte die Bewegungen der Blutsaugerin abrupt unterbrochen. Sie versteifte und blieb in dieser sprungbereiten Haltung. Ihr Blick pendelte sich
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