1810 - Gier auf Leben
Dasein.
Ich war von der Aktion überrascht worden. Die Gestalt mit dem jetzt zerstörten Gesicht blieb noch für einige Sekunden auf den Beinen, dann war es vorbei. Sie sackte in die Knie und blieb vor unseren Füßen liegen.
»Hat das sein müssen?«, fragte ich.
»Hättest du sie fliehen lassen?«
»Nein, das nicht. Ich hatte nur gedacht, dass sie uns noch etwas sagen würde.«
»Was denn?«
»Keine Ahnung.«
»Wir müssen davon ausgehen, dass sich hier das Finale abspielen wird. Noch haben wir fünf Gegner …«
»Mit der Cavallo«, sagte ich laut.
»Nein, sie nicht.«
»Meinst du, die entwischt immer?«, fragte ich Suko.
»Ich will es nicht hoffen, aber schnell und gewitzt ist sie ja.«
Ich schlug Suko auf die Schulter. »Wir nehmen die Dinge, so wie sie kommen!«
»Na ja, etwas können wir noch leisten.«
»Gut. Und was?«
»Ich schaute mich mal in der Nähe um. Ich weiß, John, dass sie uns unter Kontrolle haben. Fünf Blutsauger, und wir werden alle fünf zur Hölle schicken.«
»Okay, aber gib auf deinen Hals acht.«
»Mach ich glatt.« Suko stieg über die vernichtete Julie Robbins hinweg und ging auf den Rand der Lichtung zu. Ich hatte damit gerechnet, dass er dort stehen bleiben würde, was er nicht tat. Er ging in den Wald hinein. Die Beretta behielt er dabei in der Hand.
Jetzt konnten die Blutsauger nicht kompakt angreifen, sie mussten sich aufteilen, und das passte ihnen bestimmt nicht.
Suko war weg. Als hätte der Erdboden ihn verschluckt. Ich stand allein auf der Lichtung. Neben mir lag die vernichtete Julie Robbins.
Ich leuchtete sie an. Sie sah nicht viel anders aus als noch vor Minuten. Nur kam mir ihr Gesicht eingefallener vor, was aber auch eine Täuschung sein konnte. Jedenfalls würde sie sich nie mehr erheben, um Menschen das Blut auszusaugen.
Ich stieg über sie hinweg und ging auf die Mitte der Lichtung zu. Dort befand sich die Schaukel. Sie hing starr in den Seilen und ich stupste sie an.
Da bewegte sie sich. Oben, wo sie festgehakt war, entstand ein knirschendes Geräusch, das wieder versiegte.
Wo steckten sie?
Ich wusste es nicht. Und sie ließen sich auch nicht rufen. Sie zogen ihr Spiel durch und ließen mich im Unklaren.
Vielleicht war es doch nicht so eine gute Idee gewesen, hierher zu kommen. In der Zwischenzeit konnten sie den Wald verlassen haben, in ihr Wohnmobil gestiegen und verschwunden sein. Der Gedanke ging mir schon quer, und ich wollte mich erst gar nicht daran gewöhnen.
Und dann hörte ich den Schrei. Ich drehte mich nach links, denn von dort war er aufgeklungen. Nicht Suko hatte geschrien, sondern eine andere Person. Ich sah sie jetzt, weil sie in den Schein meines Lampenstrahls geraten war.
Es war ein blondhaariges Wesen, das einige Male zuckte und sich zugleich nach vorn warf, um zu rennen.
Die Kraft war nicht mehr da. Bis zur Lichtung schaffte sie es noch. Sie stolperte auf diesen Platz. Ich war darauf vorbereitet, zu schießen, doch das war nicht mehr nötig.
Sie konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten. Noch einen letzten Schritt, dann brach sie zusammen und rutschte mir bäuchlings fast vor die Füße.
Da blieb sie liegen.
Sie war vernichtet, obwohl ich keinen Schuss gehört hatte. Suko hatte es auf eine andere Art und Weise geschafft, er hatte seine Dämonenpeitsche eingesetzt und die Gestalt auch im Gesicht getroffen, das auf der rechten Seite einen verbrannten Streifen zeigte, der sich immer tiefer in die Haut grub.
Es war mit dieser Gestalt vorbei, und ich hoffte, dass mir eine weitere über den Weg lief.
Den Gefallen tat man mir nicht.
Ich ging in eine andere Richtung, weil ich dort eine Bewegung gesehen hatte. Sofort strahlte ich hin. Über die Wippe hinweg huschte der Strahl hinein in die Finsternis, die er genau an der Stelle aufriss, wo sich das Gesicht befand.
Auch das gehörte einer Frau. Ich hätte schießen können, doch für einen gezielten Schuss war sie noch zu weit weg, und Kugeln wollte ich nicht verschwenden.
Auch wenn das Gesicht weggetaucht war, so hoffte ich, schnell genug zu sein, und die Blutsaugerin zu stellen.
Sie war noch da.
Sie stand vor einem Baumstamm.
Sie erwartete mich.
Ihr Gesicht gehörte einer alten Frau. Den Mund hatte sie weit geöffnet. Deutlich waren ihre beiden Vampirzähne zu sehen. Sie roch mein Blut. Sie wollte mich. Sie war gierig auf ihr Vampirleben. Der ausgemergelte Körper besaß nicht mehr die Kraft, sich hart gegen mich zu werfen. Es war mehr ein Torkeln, mit dem sie
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