1810 - Gier auf Leben
mich an. Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich. »Kann sein, dass ich es weiß, aber ich muss nicht mit euch darüber reden. Es sei denn …«
»Was ist?«
»Es sei denn, ihr lasst mich frei.«
Suko und ich schauten uns an. Beide grinsten wir, und beide stellten wir die gleiche Frage.
»Müssen wir das?«
Wir gaben uns selbst die Antwort. »Eigentlich nicht«, meinte Suko und schüttelte zusätzlich den Kopf.
»Genau, es gibt andere Methoden.«
»Kennt sie schon dein Kreuz?«
»Ja, sie hat es gesehen.«
»Hat sie es auch berührt?«
»Noch nicht. Aber es könnte sehr schnell dazu kommen, denke ich mir mal.«
»Ja, das sehe ich auch so.«
Ich bewegte mich. Es war ja nicht viel, ich musste nur meine Hand in die Jackentasche schieben und das Kreuz hervorholen. Das hatte ich auch vor, und Julie Robbins sah es ebenfalls. Als meine Hand wieder erschien, reagierte sie.
»Nein, nicht!«
»Ach? Und warum nicht?«
»Ich – ich – werde eure Fragen beantworten oder es versuchen.«
»Okay«, sagte ich und stellte sofort die erste Frage. »Warum steht das Wohnmobil hier?«
»Es ist ein gutes Versteck.«
»Ach? Mehr nicht?«
»Ja.«
»Aber es ist verlassen«, mischte Suko sich ein. »Und auch das muss eine Bedeutung haben.«
»Klar. Sie sind ausgeschwärmt.«
So etwas hatten wir uns schon gedacht. Deshalb war die Antwort keine Überraschung für uns.
Ausgeschwärmt. Das war ein netter und harmloser Begriff für das, was sie vorhatten. Sie würden sich Blut holen. Sie würden sich satt trinken. Die Gier nach dem Weiterleben war da.
Ich dachte daran, dass diese Gegend hier zwar einsam war, aber es gab noch genügend Orte, die in kurzer Zeit von hier aus zu erreichen waren. Und dort war man völlig ahnungslos und würde grausam überrascht werden.
»Wo sind sie hin?«, fragte ich.
»Keine Ahnung.«
Es war ein Reflex, als meine Hand aus der Tasche zuckte und das Kreuz freilag. Ich wollte es gegen Julie Robbins einsetzen, denn allmählich war ich sauer, weil wir nicht weiterkamen.
Sie beugte sich so weit wie möglich zurück in den Wagen hinein und gab einen Schrei von sich. Er hörte sich schrill und zugleich wütend an. Der Anblick des Kreuzes bereitete ihr Schmerzen, und sie schrie sogar und flehte mich an, es wieder wegzunehmen.
Den Gefallen tat ich ihr schließlich und erklärte ihr zugleich, dass ich die ganze Wahrheit erfahren wollte.
»Wo sind deine Artgenossen hin?«
Eine Antwort auf diese Frage war wichtig. Erst wenn ich sie hatte, ging es mir besser.
»Sie sind nicht in den Dörfern bei den Menschen.«
Das hörte sich schon mal gut an, obwohl ich nicht wusste, ob ich ihr trauen konnte.
»Wo stecken sie dann?«
»Nicht weit von hier.«
»Was heißt das?«
»Du kannst es dir doch denken.«
Ja, das konnte ich. Im Augenblick aber war ich etwas verbohrt oder wie vor den Kopf geschlagen. Deshalb fuhr ich sie an. »Ich will es von dir wissen.«
Julie Robbins riss die Augen auf. »Dreh dich doch um, dann siehst du ihre Verstecke.«
»Es ist der Wald, John«, sagte Suko.
Klar, das war er. Es stimmte auch, denn beide hörten wir das Lachen der Blutsaugerin.
»Im Wald also?«
»Ja, Sinclair.«
»Und wie groß ist ihre Zahl?«
»Keine Ahnung.«
»Wie groß?«, fuhr ich sie an.
»Sechs, glaube ich.«
»Also keine zehn?«
»Das nehme ich an.«
Suko und ich sprachen mit Blicken. Es gab nicht viel zu besprechen, denn beide nickten wir. Es war klar, was wir als Nächstes vorhatten. Wir würden uns den Wald aus der Nähe anschauen und in ihn hineingehen.
»Und wo stecken sie da?«
»Das weiß ich nicht, Sinclair. Zumindest nicht genau. Einige Orte kenne ich.«
»Gut, dann können wir ja dorthin gehen, wenn du sie uns beschreiben kannst.«
»Nein, das kann ich nicht.«
»Du willst es nicht.«
»Oder so.«
»Dann willst du vernichtet werden?«
»Nein, auch das nicht. Ich denke mir nur, dass ich die perfekte Führerin durch den Wald bin. Ich an eurer Stelle würde mich mitnehmen.«
Sie hatte recht. Wenn jemand den Wald kannte, dann sie. Denn dieses Versteck war nicht neu für sie.
»Und, hast du dich entschieden?«, fragte sie.
Ich sprach Suko an. »Hast du es?«
Er nickte. »Ja, ich bin dafür.«
»Dann bin ich es auch.«
Wir mussten in den sauren Apfel beißen und konnten nur hoffen, dass die andere Seite kein falsches Spiel mit uns trieb. Sollte das der Fall sein, gab es Ärger.
Ich sprach sie darauf auch an, und Julie hörte mir genau zu. Sie versprach sogar, sich völlig
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