1812 - Camelot
ihm.
„Andor ist ein Umweltangepaßter...", wollte Bruno erklären.
Aber Kerom fiel ihm, ohne nach ihm zu sehen, ins Wort.
„Das Äußere zählt nicht. Wichtig ist nur, daß ein Kandidat die Tests bestanden hat."
Bruno staunte nicht schlecht, als sie aus dem Antigravlift in eine komplett ausgestattete Schaltzentrale traten.
„Für ein Wrack ist dieses Raumfort recht gut bestückt", sagte er anerkennend. „Eine perfekte Tarnung.
Unsere Ortungsgeräte konnten nicht den geringsten Hinweis darauf entdecken."
„Erst eure Chips haben die Anlagen aktiviert", erklärte Kerom in unverbindlichem Plauderton. „Wißt ihr eigentlich, daß dieses Raumfort eine historische Bedeutung hat?"
Bruno spürte plötzlich ein brennendes Kribbeln, das von Kummerogs Haut ausging. Er selbst fand an dieser Frage nichts Verfängliches. Denn wenn selbst er, Bruno, in seiner Position und mit seiner Ausbildung keine Ahnung von der historischen .Bedeutung von ORION738 hatte, dann konnte es sich dabei nicht um Allgemeinwissen handeln und dies darum keine Fangfrage sein.
Aber er wagte nicht, in Kummerogs Richtung zu blicken.
„Nein. Sollte man das wissen?" fragte er so unverfänglich wie möglich.
„Im März 1144 fand hier das denkwürdige Treffen zwischen Galbraith Deighton und Romulus, dem Anführer der Widerstandsorganisation WIDDER, statt", erklärte Kerom schulmeisterlich. „Dabei fand der Droide Galbraith Deighton den Tod - und Romulus gab sich als Homer G. Adams zu erkennen." Er zwinkerte Bruno schelmisch zu. „Über diese Zusammenhänge bist du aber wohl informiert?"
Bruno wollte sagen, daß er darüber natürlich Bescheid wußte. Wer Romulus gewesen war und welches Schicksal der auf Abwegen geratene Zellaktivatorträger Galbraith Deighton erlitten hatte, das wußte jeder geschichtlich halbwegs Gebildete.
Aber bevor er einen Ton über die Lippen brachte oder die leiseste empathische Empfindung gehabt hätte, schoß Kummerog an ihm vorbei. Ein Energieblitz zuckte aus seinem Miniaturstrahler und traf Keroms Kopf, riß ihn vom Rumpf.
Als der kopflose Körper flüchten wollte, trennte Kummerog auch noch Keroms Beine mit dem Strahler vom Rumpf.
„Bist du von Sinnen, Kummerog?" würgte Bruno entsetzt hervor.
Er hatte den Blick abgewandt. Ihm war übel geworden. Er meinte, sich übergeben zu müssen. Immer noch den Blick auf die Konsolen gerichtet, fuhr er mühsam fort: „Warum hast du das getan? Es bestand keine Gefahr. Ich habe keine entsprechenden empathischen Warnsignale von Kerom empfangen."
„Das hätte mich auch gewundert", sagte Kummerog spöttisch. „Sieh dir das an! Du sollst deinen Blick auf dieses Ding richten, Bruno!"
Bruno wandte zögernd den Kopf. Er sah, wie Kummerog Keroms Kopf einen leichten Tritt gab, so daß er, sich zweimal überschlagend, über den Boden kollerte und mit der Schnittwunde nach oben liegenblieb. Es floß kein Blut. Nirgendwo waren Blutspuren zu sehen. Bruno war jedoch noch immer so geschockt, daß er nicht sofort begriff.
Kummerog kniete neben dem Kopf nieder.
„Der Lotse ist ein Androide", sagte er und suchte Keroms Blick. „Du .verdammte Maschine, warum mußtest du auch diese Fangfrage stellen?"
„Es war eine ganz harmlose Frage, die nichts mit den Tests zu tun hatte", sagte der abgetrennte Kopf, ohne die Lippen zu bewegen; seine Stimme klang deutlich synthetisch. „Solch plumper Methoden bediene ich mich nicht. Aber es stimmt, ich habe den Schwindel sofort durchschaut. Ihr werdet nie nach Camelot gelangen."
Kummerog spitzte seinen lippenlosen Mund und gab einen pfeifenden Laut von sich.
„Wärst du ein Mensch, so würde ich dir zustimmen, Kerom", sagte er dann. „Aber daß du eine Maschine bist, kommt mir sehr entgegen. Ich werde mir dein Wissen holen, verlasse dich darauf. Und glaube nur ja nicht, daß du auf irgendeine Weise Selbstvernichtung begehen kannst."
*
Bully übergab Marga in die Obhut von Mila und Nadja Vandemar, und die Zwillingsschwestern übernahmen ihre Erziehung und Ausbildung. Sie waren immer für sie da.
Marga erlebte die Entwicklung auf Camelot über 50 Jahre hinweg mit. Als Bully sie aus der Wildnis nach Port Arthur brachte, war die zukünftige Hauptstadt noch eine Baustelle. Aber Mila und Nadja zeigten ihr das holografische Modell einer futuristischen Metropole. Es war eine eigene Lust, durch die plastische Modellstadt zu gleiten, sie aus allen Perspektiven zu betrachten und in Häuser einzudringen und die Einrichtungen zu
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