Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
Vom Netzwerk:
diesen Fall wird dir sogleich Hilfe von dem nächsten Posten.«
    »Sei unbesorgt; die Schildwache braucht keine zweite für sich selber, ich stehe für mich.«
    Jaromir ging, Bernhard blieb allein. Der Himmel bezog sich mit Gewölk; Mitternacht war nicht mehr fern, es war sehr finster, zumal da ein feiner warmer Staubregen begann. Die Giebelspitzen und Türmchen des alten Klosters gegenüber, dessen Umrisse Bernhard bisher sich als schwarze Schattenbilder auf dem Nachthimmel abzeichnen sah, verwischten sich jetzt in unbestimmte Formen. Nur ein mattes Lampenlicht schimmerte aus einigen kleinen Fenstern. Es war totenstill. Man hörte nur hier und da eine Nachtigall in der Ferne schlagen und das leise Rauschen des vorüberziehenden Stromes. »Es ist gut, daß ich ein paar scharfe Augen habe,« murmelte Bernhard vor sich hin, »denn hier muß man sie wahrhaftig auftun, wenn man einen sehen will, der sich vorüberschleicht Ich tue wohl gut, meinen Säbel von Zeit zu Zeit wie ein Fühlhorn auszustrecken und wie beim Blindekuhspiel mit ausgebreiteten Armen ein wenig umherzugreifen. Aha, jetzt wird's ein wenig hell; sie hängen ja eine Lampe aus dort oben im Kloster; die kommt mir gut zustatten.«
    In der Tat wurde in einem der obern Giebelfenster eine Lampe sichtbar, mit der jemand hinauszuleuchten schien; das Licht bewegte sich einigemal rasch hin und her, dann verschwand es wieder. »Nun ist's erst recht dunkel geworden; es kann in dem untersten Loch der Baumannshöhle nicht finsterer sein. Das verdammte Licht hat mich ganz geblendet. Wollte einer hier entwischen, er könnte nichts Klügeres tun, als eine Londoner Straßenlaterne mitnehmen, der Wache erst damit in die Augen leuchten, sie ihr hernach an den Kopf werfen und dann zum Teufel laufen! Aber halt! Was war das? Hat es geblitzt? Schon wieder!«
    Ein ganz matter, flackernder Schein wie von einem entfernten Blitze erhellte von dem Strom her das dichte Dunkel. Die kleine Gasse verstattete keinen freien Überblick desselben; doch plötzlich sah Bernhard deutlich Funken fliegen und entdeckte, daß jemand auf dem Strome, wie es schien, nahe am Ufer Feuer schlage. Sein rasch kombinierender Verstand brachte diese Erscheinung mit dem auffallenden Lichtschimmer im Kloster zusammen. Sollte man sich hier Zeichen geben? dachte er. Holla, Freund! Aufgeschaut! Es wäre nicht übel, wenn dir das Wild ins Netz liefe. Hm! dachte er weiter – ich will's nicht wünschen; meine Pflicht erfordert, daß ich den Fliehenden anhalte; und ich liefere vielleicht den Franzosen einen ebenso schuldlosen Mann aus als Ludwig und ich. Ich wollte doch, er suchte sich einen andern Ausweg aus dem Fuchsbau!
    Plötzlich stand er still und lauschte. Er hörte leise Schritte; es war keine Täuschung. Scharf aufhorchend, das Haupt vorwärts gebeugt, stand er und gab keinen Laut von sich. Man kam rasch, aber behutsam näher; es ließen sich flüsternde und murmelnde Laute unterscheiden. Jetzt waren die Kommenden heran, Bernhard streckte das Gewehr vor und rief in polnischer Sprache: »Wer da?«
    Einen Augenblick blieb es still; dann trat eine dunkle Gestalt mit festem Schritt näher und erwiderte mit tiefer männlicher Stimme einige Worte, die Bernhard jedoch nicht verstand. Sie klangen fast wie ein frommer Gruß.
    »Ich spreche nicht polnisch«, sagte er in dieser Sprache, deutete jedoch durch den vorgehaltenen Säbel an, daß er niemand hindurchlassen dürfe. – »Also französisch?« fragte jetzt eine weibliche Stimme von ungemeinem Wohllaut. – »Allenfalls; doch am liebsten deutsch«, erwiderte Bernhard französisch. – »Ein deutscher Soldat«, rief dieselbe Stimme fast unwillkürlich aus, doch hörte man dem Klange die freudige Überraschung an.
    »Ja, ein Deutscher,« entgegnete Bernhard; »und da ihr diese Sprache versteht, so sage ich euch hiermit, daß ich niemand durchlassen darf, der nicht einen Schein führt, daß er sich auf der Hauptwache gemeldet hat und dort als unverdächtig befunden ist.«
    »O mein Gott,« erwiderte das weibliche Wesen mit schüchterner, bebender Stimme; »wir haben Eile. Dieser fromme Mann soll einer Sterbenden den letzten Trost bringen, die drüben jenseit des Stromes liegt; deshalb haben wir ihn aus dem Kloster hier herbeigeholt. Ihr werdet das heilige Werk doch nicht hindern?« Erst jetzt sah Bernhard, daß der Fremde in Mönchstracht gehüllt zu sein schien; hinter ihm stand noch eine andere weibliche Gestalt. Deutlich ließ sich in dem tiefen Dunkel nichts

Weitere Kostenlose Bücher