1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
Beziehung auf Alisetten gehabt, und nichts trübte die heitere Geselligkeit mehr. Alisette war seit zwei Tagen ausgeblieben, weil die Proben zu einer Oper, die man am folgenden Abend geben sollte, sie beschäftigten; der Oberst, der eine halbe Probe davon angehört hatte, erzählte viel Gutes, hatte aber den Titel vergessen. »Es verdroß mich sehr,« sprach er, »daß ich nicht bis zu Ende bleiben konnte, aber ich wurde durch einen verdrießlichen Vorfall gestört. Mein Adjutant meldete mir, daß man in Erfahrung gebracht habe, ein russischer General, der mit geheimen diplomatischen Aufträgen in Frankreich gewesen sei und von dort hat flüchten müssen, halte sich in der Stadt verborgen und gedenke, in dieser Nacht zu fliehen. Da mein Regiment gerade die Torwache hat, so mußte ich fort, um für die Verdoppelung der Postenkette zu sorgen.«
»Und wer sollte der Flüchtling sein?« fragte die Gräfin aufmerksam.
»Das wissen wir nicht,« erwiderte Regnard; »einige behaupten, der General Ez*****, der allerdings in Paris gewesen ist, eine Menge Einverständnisse und Verbindungen gehabt hat und auf Napoleons Befehl verhaftet werden sollte. Er war aber zeitig gewarnt worden und schon über Straßburg hinaus, bevor der Telegraph den Verhaftsbefehl nachbringen konnte. Es ist fast unmöglich, daß er sich so lange in feindlichen Ländern verborgen aufgehalten hätte. Andere wollen wissen, es sei der Graf Winzingerode, ein Deutscher in russischen Diensten; dies hat etwas für sich. Doch nennt man noch andere Namen, und das Resultat ist, daß niemand etwas Gewisses weiß. Herr von Pradt hat nur ein ganz unbestimmtes Aviso erhalten.«
Der Oberst sprach noch, als eine Ordonnanz militärisch ungemeldet eintrat und Jaromir ein versiegeltes Schreiben überbrachte. »Wahrhaftig, in derselben Sache,« rief dieser, als er gelesen; »ich erhalte Befehl, mit meinen Leuten das Viertel, in dem unsere Ställe liegen, und besonders alle Ausgänge nach der Weichsel hinab wohl zu besetzen.« – »Ja, ja, die Sache scheint ernstlich betrieben zu werden«, bemerkte der Oberst. »Ich kam um den Gesang der liebenswürdigen Françoise, Sie werden um das Souper mit uns gebracht! Das sind Soldatenschicksale!« – »Sie lassen sich noch ertragen,« antwortete Jaromir lächelnd; »es ist mir nur verdrießlich, daß ich auch unsere Freunde hier um Abend und vielleicht Nacht bringen muß, denn es fehlt mir noch gar zu sehr an gewandten Leuten, und ich muß doch, da die Anstrengungen am Tage groß sind, auf drei Ablösungen rechnen. So kann ich euch denn nicht helfen, Freunde, ihr werdet heute euern ersten Wachtdienst als Posten tun müssen!«
»Auf den Anstand kommandiert?« sprach Bernhard heiter; »in Gottes Namen. Wenn das Wild nur bei mir wechseln will, es soll nicht ohne Schuß wegkommen.«
Es war Eile nötig; man empfahl sich daher bei den Damen, schnallte den Säbel um, warf den Mantel über und ging. Regnard blieb zum Schutz und zur Unterhaltung bei den Frauen zurück.
Jaromir ließ durch Trompetensignale die Mannschaften zusammenrufen, bestimmte die zu besetzenden Posten, teilte die Leute ab, unterrichtete sie wohl, und befahl abzumarschieren.
Bernhard erhielt seinen Posten am entlegensten Ende des Quartiers. Der Weg dahin führte durch eine einsame Gasse zwischen zwei hohen Mauern entlang, deren eine den Garten eines Klosters begrenzte. Ein Quergäßchen schnitt hindurch; es führte nach der Weichsel hinab. Zweihundert Schritte von diesem Punkte stand die nächste Schildwache, weiter hinaus keine mehr, weil sich dort keine Ausgänge weiter nach dem Strom befanden. Jaromir selbst hatte die Posten aufgeführt. »Du stehst hier ziemlich entlegen,« sprach er, als Bernhard den Säbel gezogen und die Haltung einer Schildwache angenommen hatte; »ich würde den Posten verdoppeln, wenn ich mehr Leute hätte. Aber gerade deshalb wählte ich dich dafür, weil es der Umsicht bedarf; auch ist es gut, daß du französisch sprichst, weil so viele französische Soldaten hier sind, mit denen sich der Pole schwer verständigt. Gehab dich wohl. Binnen zwei Stunden wird dich Ludwig ablösen.«
»Meinethalben laß mich die ganze Nacht hier,« erwiderte Bernhard; »sie ist lau und mild, es freut mich sogar, daß wir vermutlich etwas Regen bekommen. Und was die Einsamkeit anlangt, so sei ohne Sorgen; ich weiß mir die Zeit zu vertreiben und brauche niemand, der mich wach erhält.«
»Wenn etwas vorfallen sollte, so schieße dein Pistol ab; für
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