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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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Graubart, damit er sie in den ersten Waffenübungen unterrichte. Johann Petrowski, ein Unteroffizier, der noch unter Kosciuszko gefochten, wurde ihr Lehrmeister. Er begann das Geschäft mit einer Art von Ehrfurcht, die ihm jedoch nicht der vornehme Stand seiner Rekruten, sondern nur der Ernst der Sache selbst einflößte. Denn es galt ja die Ausbildung zweier Krieger, die für das Vaterland fechten sollten; für das teuere, heilige Vaterland, dem Johann Petrowski in rüstigen Mnnnesjahren, als sein alter Feldherr Kosciuszko die Söhne Polens zu den Waffen rief, so freudig Blut und Leben zum Opfer dargebracht hatte. Jetzt war er der Schwelle des Greisenalters nahe, denn mit dem nächsten Frühling mußte er sich zu den Sechzigern zählen. Aber sein grauer Kopf, den mancher Säbelhieb getroffen, bot sich noch mit Freuden dem Dienste des Vaterlandes dar, und in dem alten Herzen glühte noch, wie Wein, durch das Alter nur veredelt, die alte heilige Flamme der Vaterlandsliebe, des Heldenmuts. Unter der halb kahlen, halb mit grauen Locken umkränzten Stirn leuchteten, von buschigen Brauen überschattet, zwei feurige Augen; die Adlernase bog sich würdig gegen die ernsten Lippen herab, die sich unter einem grauen Knebelbart, auf welchen Johann Petrowski ein wenig stolz war, fast verbargen. Er stand vor den beiden frischen Jünglingen wie ein alter, halbgehöhlter Eichenstamm vor zwei jungen kräftigen Bäumen einer neuen Pflanzung. Sein Antlitz schien zu sagen: Blickt mich nur an, so morsch und verwittert ich aussehe, vielleicht trotze ich, obwohl der Frühling mir keinen andern Schmuck mehr leiht als das kärgliche Moos, das meine rauhe Rinde ein wenig sanfter macht, doch den Ungewittern und Stürmen noch rüstiger als eure jugendliche Kraft. Denn ich habe weithin Wurzeln durch felsigen Boden getrieben, und wer mich stürzen will, muß den halben Hügel mit hinabreißen; ihr aber scheint mir nur in lockere Erde gepflanzt und euere Krone ist größer als euere Wurzel. Seine Kommandoworte: Gewehr auf, Gewehr ab, Rechtsum, Marsch und Halt! sprach er mit einem so feierlichen Ernst wie der Priester in der Messe das Dominus vobiscum. Seine Lehrlinge gehorchten ihm mit ebensoviel Liebe als Eifer; daher schritten sie rasch vorwärts, und Meister wie Zöglinge erfreuten sich aneinander. So verstrich den drei Freunden der ganze Tag in Dienstgeschäften, und erst abends gewannen sie Muße, ihre liebenswürdigen Hausgenossinnen zu sehen.
    Aus Lodoiskas Augen glänzte das reinste Glück; die Gräfin hieß Jaromir so freundlich willkommen, daß dieser über ihre Gesinnung keinen Zweifel hegen durfte. Bernhard und Ludwig fühlten, daß einige ungestörte Augenblicke für Jaromir von höchstem Wert sein mußten; sie bereiteten sie ihm daher, indem sie sich auf ihr Zimmer zurückzogen, noch ehe er sie darum gebeten hatte. Fast zur Tafelzeit rief Jaromir selbst sie wieder hinunter und erzählte ihnen voller Freude: »Auch die Gräfin ist mir günstig, ist so mütterlich gütig; aber sie ist auch streng, denn sie hat mir geboten, bis Rasinski kommt, meinem Herzen zu gebieten, weil sie ihm die Entscheidung übergeben will. Darum jetzt kein Wort, keinen Blick, liebe Freunde, wodurch unsere Liebe verraten würde; ich habe es Lodoiska versprochen, folgsam zu sein, und will es männlich halten.« – »Brav, wacker!« sprach Bernhard kurz und rauh wie er pflegte; »und wir wollen deinem Beispiel folgen. Bist du fest, so will ich dir dafür auch zur Belohnung deine Braut malen, oder wenigstens zeichnen, wenn wir nicht mehr Zeit haben.«
    So traten sie ein in den Gesellschaftssaal; kein Wort verriet das Glück, aber es weilte in stiller, segnender Gegenwart und lächelte aus aller Blicken. Denn auch die Freunde teilten, was den Freund beseligte.

Sechstes Kapitel.
    So verstrichen mehrere Tage ziemlich gleichförmig hintereinander. Alisette und Regnard, selten andere, waren die Gäste, welche den Kreis der Familie, zu der sich Ludwig und Bernhard jetzt ganz mitzuzählen gewöhnten, vergrößerten. Regnard brachte stets Nachrichten über die Kriegsereignisse, die Truppenmärsche und ähnliche Dinge mit und führte überhaupt die Welt und ihren Verkehr in den traulichen Zirkel ein, der sich sonst dem äußern Treiben ziemlich entfremdete. Mit scharfem Beobachterblick bemerkte er, wie sehr Jaromir sich auch zu beherrschen suchte, dessen Neigung zu Lodoiska und ihre Erwiderung derselben. Daher verschwand der Anflug von Eifersucht wieder, den er in

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