1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
Fort!«
»Dank, Dank«, hauchte die schöne Gestalt ihm mit in Tränen und Freude brechender Stimme zu und ergriff seine Hand und wollte ihr weinendes Antlitz dankbar daraufdrücken. Bernhard hinderte es sanft abwehrend und flüsterte hastig: »Eilen Sie, um Gottes willen, man kommt näher!«
Wie er den warmen Händedruck der Dankbarkeit empfing, stürmte ein schmerzlich seliges Gefühl durch seine Brust, daß das Herz glühend und ungestüm schlug. Finden und Scheiden fiel in einem Augenblicke zusammen. Sollte diese wunderbare, große Minute, die zwei Seelen mit heiligster Empfindung vereinigte, spurlos verrinnen wie ein Tropfen, der in das ewige Meer fällt? Nimmermehr! Ein Angedenken wollte Bernhard wenigstens behalten, ein Zeichen für künftige Tage. Darum streifte er rasch den losen Handschuh von der Hand des holden Wesens, um diesen zu behalten. Doch indem er über ihre zarte, zitternde Hand glitt, fühlte er einen Ring an ihrem Finger. Es zuckte kalt durch seine Brust, als ihm der Gedanke kam, es könne dies ein Zeichen sein, wodurch sie sich einem andern ewig verknüpft habe; als vermöchte er sie diesem zu entreißen, wenn er das Pfand der Treue raubte, griff er mit Hast nach dem Ringe und forderte ihn. »Ich weiß nicht, wem ich hier begegnete, ich darf es nicht wissen,« rief er heftig, indem er die Zitternde, welche sich eben losreißen wollte, um dem schon zum Rande hinabeilenden Vater zu folgen, halb hielt, halb sie begleitete; »darum lassen Sie mir dies Angedenken, diesen Ring, an dem wir uns in glücklichern Zeiten wiederfinden wollen!«
Indem er sprach, suchte er ihn schon von ihrem Finger zu ziehen. Sie widerstrebte einen Augenblick. »Gerade dieser Ring, o ebendieser«, begann sie; doch Bernhard, der fürchtete, sie werde aussprechen, was ihn mit dunkler Ahnung ängstigte, unterbrach sie fast wild: »Gerade diesen will ich; vollenden Sie nicht; gerade diesen oder nichts!« Aber er hatte ihn schon abgestreift und zugleich den seinigen, den er ihr ungestüm auf die Finger drückte. »Der Ihrige kann Ihnen nicht teuerer sein als mir der meinige,« fuhr er fort; »ich gebe Ihnen viel, vielleicht alles damit, was ich zu hoffen habe. Aber es ist mein fester Glaube, daß ich ihn einlösen werde.«
Seinem Ungestüm wäre nicht zu widerstehen gewesen, selbst wenn die Pflicht der Dankbarkeit es der Unbekannten nicht unmöglich gemacht hätte, ihrem Retter jetzt irgendeine Bitte, und wäre sie um ihr Liebstes gewesen, zu verweigern. »So nehmen Sie ihn denn hin,« sprach sie leise im eiligen Gehen; »aber ich muß ihn zurückhaben, wenn der Krieg nicht mehr jede sanftere Verbindung der Menschen wild zerreißt. Leben Sie denn wohl, und der Allgütige sei stets mit meinem Retter!« Bei den letzten Worten brach ihre Stimme; sie wollte ihre Hand sanft aus der seinigen lösen, doch er hielt sie fest und drückte einen glühenden Kuß darauf. Dann riß er sich stumm los und eilte zurück.
Kaum hatte er den Posten wieder erreicht, als er hörte, wie ein Nachen vom Ufer stieß und mit raschen Ruderschlägen die Wellen teilte. Er atmete leicht auf. »Jetzt sind sie gerettet; es war die höchste Zeit!« Denn schon nahten die Schritte der ablösenden Kameraden; er konnte noch das Rauschen der Ruder vernehmen, als sie schon vor ihn traten und der kriegerische Gebrauch begann.
»Nichts Neues auf dem Posten?« fragte der Unteroffizier; es war Pettowski. – »Nichts«, sprach Bernhard fest. – »Abgelöst!«
Ludwig nahm jetzt die Stelle des Freundes ein; für Bernhard war der Dienst dieser Nacht vorüber. Rasch eilte er nach Hause; auf dem Wege befestigte er sich in dem Entschluß, den ganzen Vorfall stumm in seiner Brust zu bewahren, und selbst Ludwig und Jaromir nichts davon mitzuteilen, damit im äußersten Fall auch das Vergehen allein das seinige bliebe.
Er erreichte sein Zimmer. Mit größter Eile zündete er Licht an, um den Ring näher zu beleuchten. »Teufel!« fuhr er auf, als er ihn jetzt gegen die Kerze hielt; »Teufel! Ist das ein Blendwerk des Satans, oder bin ich verrückt geworden!« Er hatte seinen eigenen Ring in der Hand! »O ich Tor,« rief er aus und drückte sich die Faust ingrimmig gegen die Stirn; »diese plumpen, ungeschickten Finger haben die Ringe verwechselt! Den Schädel möchte ich mir einschlagen und wie Franz Moor rufen: ›Das war dumm! dumm!‹« Er ging wild auf und nieder. »Ha! ha! ha! Nun muß ich wahrhaftig der ganzen Welt die Geschichte erzählen; denn sie ist zu
Weitere Kostenlose Bücher