1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
darbot. Der König gab das Gesetz, daß man sich in bunter Reihe lagern solle; die gehorsamen Untertanen vollzogen den Befehl willig. »Ich denke,« erhob der Monarch die Stimme, »wir richten uns mit unsern Vergnügungen teils nach unsern Kräften, teils nach den Winken, welche die Natur uns selbst gibt. In diesen stillen Vormittagsstunden, wo die Sonne höher und höher steigt, die Wärme mit jedem Augenblick zunimmt, muß man ruhend das Schöne genießen. Erst der Nachmittag, wo mit jeder Minute uns ein kühlerer Hauch der Lüfte trifft, eignet sich zu körperlichen Vergnügungen. Jetzt werden uns Gespräch und Scherz am besten tun; denn wir behalten dabei Muße, auf das angenehme Summen und Weben der Insekten zu horchen, den Blick aufwärts in die Laubwipfel zu richten, wie sie, kaum bewegt durch die milden Lüfte, anmutig still unter sich flüstern und Sonnenstrahl und Himmelsblau durch ihr freundliches Gitter äugeln lassen. Ein ganz leicht bewegliches Spiel ließe ich mir allenfalls gefallen, nur keines jener heftigen, wobei man sich ganz außer Atem laufen muß, welches sich überhaupt für eine Majestät nicht sonderlich schicken würde.« Man war seiner Meinung, und die Gräfin brachte, von den Damen zu einem Vorschlag aufgefordert, ein Pfänderspiel in Gang. Dies gab zu allerlei Scherzen Anlaß, denn der König gestattete nicht nur, sondern gebot sogar manche kühne Freiheit bei der Auslösung. Nachdem diese vollbracht war, wurde ein allgemeiner Aufbruch befohlen, um einen neuen Ansiedlungspunkt aufzusuchen, weil die Sonne anfing empfindlich zu stechen, indem das zarte Laubgitter ihre Strahlen nicht mehr recht abhalten wollte. Der Monarch sandte seine Minister als Boten nach verschiedenen Gegenden aus, um einen angenehmen Aufenthaltsort zu erkunden. Nach einigen Minuten kehrte der Rittmeister zurück und behauptete, einen Platz ausfindig gemacht zu haben, der alle Eigenschaften eines angenehmen Ruhesitzes vereinige. Man folgte ihm, und er führte die Gesellschaft auf dem Kamm des Berges talabwärts entlang; dann schlug er einen Fußsteig ein, der sich ein wenig gegen den Abhang hinunterzog und bald im dunklern Wald verlor, wo hohe Buchen den kühlsten Schatten gaben. Hier rieselte aus einer Felsspalte ein klarer Quell hervor, der sich in einem durch ihn selbst gehöhlten Becken sammelte und dann, sanft den Rand desselben überfließend, munter ins Tal hinabhüpfte. Der Abhang des Berges bildete die bequemsten Sitze; die moosbedeckten Wurzeln einer alten Buche gewährten einen etwas erhöhten Platz, der sich trefflich zum Thron für das Königspaar eignete. Zugleich war man, trotz der dunkeln Waldkühle, dennoch nicht ohne eine schöne Aussicht, denn eine hohe Bogenöffnung der Baumgewölbe verstattete einen Blick auf den Elbspiegel, über den sich gerade im Mittelpunkte des durch die Zweige begrenzten Raums das Schloß Schreckenstein auf seinem schwarzen Felsen erhob. Außerdem konnte man auch gerade vor sich hinab ins Tal sehen, wo die Wellen des Stroms silbern zwischen dem spielenden Laub heraufglänzten. Der Platz überraschte so durch seine Schönheit, daß er mit einem allgemeinen Ausruf der Freude begrüßt wurde. Der Monarch nahm auf dem weichen Thronsitze Platz, die Königin setzte sich an seine Seite, die übrigen lagerten sich im Halbkreise amphitheatralisch den Bergeshang abwärts Paar und Paar auf dem Rasen. »Hier ist es selbst zum Spiel zu schön,« begann die Königin; »der Ort ist fast zu heilig, um durch leichten Scherz entweiht zu werden. Gar anmutig aber würde man hier einem Erzähler oder Sänger lauschen, der uns Kunde von den romantischen Wundern dieses Tales gäbe. Hat niemand unter unsern Untertanen den Alten dieses Felsens gesprochen. Erschien keinem der Berggeist oder die liebliche Nymphe dieses Stroms? Hat sie keinen unserer Ritter, der sich auf der Jagd verirrte, im geheimnisvollen Dunkel des Waldes angeredet, dem Durstenden einen erquickenden Becher gereicht, dem Ermüdeten den Helm gelöst und ihn eingeladen, das Haupt sanft in ihrem Schoße zu ruhen? Und hat sie ihm dann nicht erzählt von ihren Schlössern im tiefen Bau der Felsen oder unter der kühlen silbernen Hülle der Wasser? Hat sie ihm nicht süße Lieder gesungen, vom Rauschen der Wellen und Bäume begleitet, um ihn einzuwiegen in sanften Schlummer? Führte sie keinen in ihre Paläste ein und ließ ihn dem Tanz der Nymphen, ihrer Geschwister, zuschauen? Oder ist vielleicht ein Glücklicher unter uns, den sie gar
Weitere Kostenlose Bücher