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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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wichtigen Aufträgen zu empfehlen. Wir sind eng miteinander verknüpft, Freund, denn Sie folgen meiner Bahn Stufe für Stufe. Rücke ich aufwärts, so nehmen Sie die Lücke ein, die ich lasse, und Sie können darauf zählen, daß ich Ihnen die Hand reichen werde, um Sie nachzuziehen, bevor ein anderer sich eindrängen kann. Noch einmal: diese Sache übergebe ich ganz Ihnen, ziehe mich aber auch durchaus zurück, wenn sie eine unangenehme Wendung nehmen sollte.«
    »Verlassen Sie sich blind auf mich,« rief Beaucaire, indem er sich mit Unterwürfigkeit verbeugte; »ich eile, das Gewebe anzulegen, denn wir dürfen keinen Augenblick verlieren.« Mit diesen Worten empfahl er sich und eilte hinab in sein Zimmer, um sich anzukleiden. Hierauf machte er sich auf den Weg, um sein Garn auszuwerfen.
    Sein erstes war, daß er in ein Kaffeehaus ging, um in der Badeliste die Wohnung der Frauen, die er so arglistig zu umspinnen dachte, aufzusuchen. Nebenbei knüpfte er daselbst ein Gespräch mit einigen Bürgern an, um über den Charakter des Postverwalters einige Aufschlüsse zu erhalten; was er erfuhr, schien seinen Plan zu begünstigen. Er ging daher getrost nach der Posthalterei, um seine Unterhandlung zu beginnen. Zu seinem Verdruß mußte er erfahren, daß der Posthalter an demselben Morgen nach Dresden abgereist sei und binnen vierzehn Tagen erst zurückkommen werde. Diese Auskunft gab ihm ein alter Expedient, in dessen scharf gefurchten Zügen und blinzelnden grauen Augen Beaucaire etwas zu lesen glaubte, was seinen Absichten günstig wäre. »Sie besorgen wohl indes die Geschäfte, mein Herr?« fragte er höflich, »und vielleicht kann ich mich an Sie wenden, um eine Gefälligkeit zu erhalten, für die ich sehr dankbar wäre.« Bei diesen Worten reichte er dem Alten freundlich die Hand dar, und wußte mit Geschicklichkeit einige Goldstücke in dessen dargebotene Rechte zu drücken. Dies pflegte Beaucaires gewöhnlicher Probeschuß zu sein, um den Boden, welchen er betreten wollte, zu untersuchen. Er gab, bevor er sagte, wofür; wer in solchen Fällen nimmt, ehe er weiß, ob man wirklich nur seine Mühe vergelten, oder ihm eine Lücke im Gewissen mit Gold ausfüllen will, der erklärt von vornherein seine Rechtlichkeit für überwindlich. Indessen ging Beaucaire doch noch ferner vorsichtig zu Werke; er bat erst um frühere Auslieferung der eigenen Briefe, und rückte dann, da der Alte sich immer geldgieriger zeigte, andeutungsweise mit seinem Antrage näher. Noch hatte er ihn jedoch nicht ausgesprochen, als beide unterbrochen wurden, indem soeben die Post eintraf. Der alte Postbeamte öffnete die Briefliste, welche die Adressen der angekommenen Briefe enthielt. Beaucaire warf einen flüchtigen Blick darüber hin und las, durch den Zufall geleitet, den Namen Rosen. Wie der Falke auf eine Taube stößt, so schoß sein raubgieriger Eifer auf diese Beute los. Die Eile, mit welcher er, durch diesen Umstand angeregt, des Briefes habhaft zu werden wünschte, war schuld daran, daß er seine Vorsicht einen Augenblick vergaß, und rasch, aber leise fragte: »Kann ich diesen Brief auf eine Viertelstunde haben, so sind zwanzig Goldstücke die Ihrigen.« Zugleich griff er in die Tasche, um das Geld herauszulangen. Der Beamte tat, als habe er nichts gehört, schob aber leise den Brief beiseite, empfing das Gold mit einem verstohlenen Griff der Hand und sah eisernen Blicks in ein Aktenstück hinein, welches aufgeschlagen neben ihm auf dem Tische lag. Beaucaire verstand den Wink; er griff daher ohne weiteres zu und bemächtigte sich des Briefes. Erstaunt sah er an dem Poststempel, daß derselbe aus dem Hauptquartier kam. Sogleich eilte er damit nach Hause, trat mit triumphierender Miene in St.-Luces' Zimmer und sprach: »Wie nun, Herr Baron, wenn ich schon den Sieg in der Hand hätte, wenn der Schlüssel des Geheimnisses schon mein wäre?«
    »Das wäre!« rief St.-Luces und sprang freudig auf. Beaucaire reichte ihm den Brief hin, St.-Luces las erstaunt die Aufschrift.
    »Nun? Was sagen Sie? Dieser Brief wird uns denn doch wohl einige Aufschlüsse geben?« – »Wieso?«.sagte St.-Luces. – »Nur Geduld, wir werden sogleich im klaren sein«, entgegnete Beaucaire, und schickte sich an, den Brief zu öffnen. »Sehen Sie da!« rief er, mit einem vor boshafter Freude leuchtenden Angesicht, als er das Blatt aus dem Kuvert gezogen und entfaltet hatte: » «Teuerste Mutter!» lautet die Überschrift. Und die Unterschrift: «Euer getreuer L.»

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