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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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Sind das Spuren? Haben wir den Faden in der Hand?«
    »Sie sind in der Tat sehr glücklich gewesen,« sprach St.-Luces, »doch wird die Entdeckung uns nicht viel helfen, denn der Flüchtige hat sicher einen falschen Namen angenommen, die Armee zählt eine halbe Million Köpfe, und unter diesen gerade den aufzufinden, den wir suchen, gegen ihn eine Untersuchung einzuleiten – das alles sieht so unendlich weitläufig aus, daß ich kaum darauf eingehen möchte.«
    »Meine Entdeckung ist so glücklich,« erwiderte Beaucaire, »ich bin so zufrieden über die Art, wie sie mir eingeschlagen ist, daß ich mich vorläufig damit genügen lasse. Wer weiß aber, ob der Inhalt des Briefes uns nicht noch ausführlicher belehrt.«
    Er setzte sich hierauf und durchlief ihn flüchtig. Seine Mienen wurden immer wohlgefälliger, drückten eine stets wachsende boshafte Freude aus. Am Schluß rief er aus: »Es bleibt uns nichts zu wünschen übrig, denn aus diesem Schreiben läßt sich unzweifelhaft ersehen, daß die beiden Flüchtlinge, denen wir nachspüren, bei der Armee, und zwar höchstwahrscheinlich in dem Regimente des Grafen Rasinski stehen. Denn obwohl kein einziger Name in diesem Briefe ausgeschrieben ist, so bleibt es doch für jeden, der die Dislokation der Regimenter kennt, keinem Zweifel unterworfen. Wir haben daher nichts weiter zu tun, als die Anzeige zu machen, und höchstens hier noch die Namen auszumitteln, welche die beiden jungen Leute mutmaßlich angenommen haben, um unerkannt zu bleiben. Bei meinem jetzigen Bündnis mit dem Postsekretär ist aber nichts leichter als dies, denn wir dürfen nur die Antwort auf dieses Schreiben abwarten.«
    St.-Luces ärgerte sich innerlich darüber, daß Beaucaire in dieser Entdeckung soviel Glück gehabt hatte, denn den Verdiensten der Geschicklichkeit desselben eine Anerkennung deshalb zukommen zu lassen, hatte er nicht die geringste Neigung. Er war aber verschlagen genug, um sich nicht das mindeste äußerlich merken zu lassen. Mit raschen Schritten ging er im Zimmer auf und ab, und suchte sich das Ansehen zu geben, als sei es der Eifer, den man jetzt in der Verfolgung dieser Entdeckung beobachten müsse, welcher ihn in eine so unruhige Bewegung setze. Heimlich indessen hatte er ganz andere Gedanken, die auf zweierlei Ziele hinausliefen. Um jeden Preis wollte er Beaucaires Entdeckung vereiteln, am liebsten aber freilich sie für sich nutzen. Mit der freundlichsten Miene von der Welt überhäufte er ihn daher mit Lobsprüchen, um ihm jeden Verdacht zu rauben. »Ich muß Ihrem Talent und Ihrer Geschicklichkeit die vollste Anerkennung widmen, mein lieber Beaucaire,« sprach er; »Sie haben in dieser Sache mit einem Scharfblick und einer Gewandtheit gehandelt, die nicht übertroffen werden kann. Gern gestehe ich's, daß ich im ersten Augenblick eine kleine Anwandlung von Verdrießlichkeit hatte, die der Neid auf Ihre meisterhafte Ausführung des glücklichen Gedankens in mir erregte. Betrachten Sie diese Aufwallung, der ich nunmehr vollkommen Herr geworden bin, als die wahrhaftigste Huldigung gegen Ihre Verdienste; sie ist vielleicht sogar die schmeichelhafteste.«
    Wie die Schlauheit aller Schurken nur bis zu einem gewissen Grade reicht, und das ganze künstliche Gewebe ihrer Verstandeskombinationen eigentlich nur zu einer verlängerten Dummheit wird, weil es der festen Grundlage des Vernünftigen und somit des Sittlichen entbehrt, so fand auch Beaucaires Scharfsinn hier eine Grenze, indem seine Eitelkeit ihm das Auge verblendete, mit welchem er sonst die Dinge durchaus richtig zu sehen wußte und sich nicht leicht durch einen Schein täuschen ließ. St.-Luces besaß aber auch die Kunst im höchsten Grade, seine Züge in jede Form zu legen, den überzeugenden Ton redlicher Wahrheit anzunehmen und damit oft selbst diejenigen zu täuschen, die schon Zeuge gewesen waren, wie er dieselben Waffen gegen andere gebraucht hatte. Beaucaire konnte es nicht lassen, noch einige Zeit ruhmredig, wiewohl mit dem Ausdrucke und den Formen der Bescheidenheit, auf seine Geschicklichkeit und die schnelle Ausführung seines glücklichen Gedankens zurückzukommen. St.-Luces ungleich schärferer Blick durchschaute ihn bis auf den Grund; um so sicherer vermochte er ihn in seiner Verblendung zu bestärken und in die schmeichelhaftesten Täuschungen einzuwiegen.
    Da vorläufig in der Angelegenheit nichts weiter zu unternehmen war, vor allen Dingen aber der Brief der Post zurückgegeben werden mußte, damit

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