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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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man diese Hilfsquelle nicht für die Folge einbüße, so übernahm Beaucaire das letztere, und eilte, nachdem er das Kuvert wieder versiegelt hatte, auf das Bureau zurück, um ihn dem Beamten wieder einzuhändigen. St.-Luces ging gedankenvoll in seinem Zimmer auf und ab und überlegte, wie er es anzufangen habe, um Beaucaires eitle Nebenbuhlerschaft zu vereiteln und die etwaigen Verdienste seiner Entdeckung sich selbst zuzueignen.

Achtes Kapitel.
    Während Marie sorgend mit töchterlicher Angst an dem Bette der erkrankten Mutter saß, ahnte sie nicht, wie Bosheit und Habsucht sich berieten, um ihrem Herzen neue Qualen zu bereiten. Ach, und hätte sie es gewußt, sie würde über die nächste Sorge die entferntere vergessen haben; denn in tiefen Leiden ist die Schwäche der menschlichen Brust ihre einzige Rettung, weil sie, wie auch die Fluten des Jammers über sie herandringen mögen, nur ein bestimmtes Maß derselben faßt. Das übrige zerrinnt in dem weiten Raume des Weltalls wie Schall und Licht, welche Ohr und Auge nicht in sich aufnehmen. Mariens inniges, stummes Gebet war die Erhaltung der Mutter. Einem behütenden Engel gleich, saß sie an ihrem Lager und wehrte alles Feindselige, was der Kranken nahen konnte, mit sanfter Festigkeit, mit unermüdlicher Ausdauer ab. Doch in dem Rate des Ewigen war es anders beschlossen. Ihrer zarten jungen Blüte sollte die beschützende ältere Nachbarpflanze, an der sie sich emporgeschmiegt hatte, entrissen werden.
    Die Mutter hatte eine lange Zeit still, mit einem sanft-schmerzlichen Lächeln auf den Lippen, in die Kissen zurückgelehnt, gelegen. Mariens beobachtendes Auge bemerkte schon längst einen heimlichen Kampf in den Zügen der Kranken; mehrmals hatte sie ängstlich nach der Ursache geforscht und die Mutter gefragt, ob sie Schmerzen empfinde. Diese hatte es durch stumme Winke wie durch ein leises Nein ebensooft verneint. Jetzt sprach sie plötzlich: »Meine Tochter, ich fühle – es wird bald vorüber sein; – das Übel kehrt zurück – ich werde es nicht mehr überwinden. Ein Geheimnis für dich und deinen Bruder – euer Vater – die Papiere in dem geheimen Fach meines Schreibtisches – ach, meine Tochter, in deinen Armen! – –« Mit diesen, zuletzt fast ohne Atem ausgestoßenen Worten streckte sie die Arme verlangend nach der Tochter aus. Ein krampfhaftes Übel schnürte ihr die Brust zusammen, sie suchte sich mit Mariens Hilfe, welche sie weinend umschlungen hatte, emporzurichten. Diese ergriff, während sie mit der Rechten die Mutter unterstützte, mit der Linken die Klingel, welche am Bett stand, und schellte heftig. »Der Arzt! der Arzt!« rief sie atemlos, als Frau Holder eintrat, und diese eilte rasch wieder zurück, um die Hilfe herbeizurufen.
    »O, meine Mutter, verlaß deine Tochter nicht«, dies waren die einzigen Worte, welche Marie unter Tränen auszusprechen vermochte. Die Kranke war zu beängstigt von dem Krampfe, um zu hören oder vollends zu antworten. So vergingen einige Minuten in der entsetzlichsten Pein für Marien, welche allein, fast selbst der Hilfe bedürftig, alle Anstrengung ihrer Seele nötig hatte, um nicht durch den Anblick der Leiden ihrer geliebten Mutter und durch den eigenen zerreißenden Schmerz unfähig zu dem Beistande zu werden, den sie der Kranken leisten mußte. Endlich ließ das Übel nach, aber nur um in ein anderes, die Auflösung beschleunigendes, überzugehen. Ein heftiges Bluterbrechen schaffte der Gequälten Luft; zugleich damit aber schwanden die letzten angespannten Kräfte, und sie sank bleich und sprachlos auf die Kissen zurück.
    Zitternd, ein bleiches Bild des Kummers, mit stummen, unaufhaltsam fließenden Tränen, saß Marie an dem Lager und beobachtete mit ängstlichen Blicken, wie die teuerste Seele, welche sie auf dieser Erde besaß, sich der sterblichen Hülle entrang. Die Mutter blickte nur noch irr und träumerisch, aber doch mit seliger Liebe und Freundlichkeit aus schon brechenden Augen zu der Tochter hin. Die Brust wurde kaum noch durch das leise, matte Atmen bewegt; die Lippen wollte der Todeskampf schmerzlich verziehen, doch er ward besiegt durch ein frommes Lächeln, den Widerschein des Jenseits in der schon brechenden irdischen Brust. Denn halb gehörte die fliehende Seele schon jenen Räumen des ewigen Lichtes an, wo sie ihre ursprüngliche Heimat wiederfindet. Noch ein matt glänzender Blick der Liebe, und das Auge erlosch; Marie seufzte bang auf und beugte sich über das bleiche

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