1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
folgen; ich bin gespannt, seine nächsten Anordnungen zu vernehmen. Sie können uns vielleicht recht lebhaft in Tätigkeit setzen.« Mit diesen Worten sprengte er, von Jaromir begleitet, über die rauchenden Trümmer und neben dem Gedränge der einrückenden Kolonnen dahin, um sich dem Generalstabe anzuschließen, mit dem der Kaiser die Festung näher besichtigte.
Drittes Kapitel.
»Ich bin dieses Lebens doch fast überdrüssig, sprach Bernhard, indem er einen schweren Sack von der Schulter auf die Erde herabsenkte, wobei ihm Ludwig behilflich war. »Für mich hätte ich den weiten, gefahrvollen Weg in die Raubhöhle der Muschiks nicht unternommen; aber mein armer abgemagerter Brauner mußte einmal etwas anderes fressen als unreifen Hafer und Gras.«
»Du bist glücklich gewesen,« entgegnete Ludwig, »wir haben soviel nicht gefunden. Alles ringsumher wüst und öde; die Dürfer verlassen, verbrannt. Ich sehe nicht, wie das enden soll!«
»Laß gut sein; es ist wahr, wir schiffen in das wüste Weltmeer hinaus, aber wir haben einen Kolumbus an Bord, dessen Kompaß ihn noch lange leiten wird, wenn unser Auge schon längst keinen Stern am Himmel mehr sieht, dem wir folgen könnten. Aber hilf mir die Pferde füttern, ich mag die Tiere nicht warten lassen, bis Rasinskis Reitknecht kommt; sie werden Augen machen über das Gastmahl, das wir ihnen auftischen!« – »Gern«, entgegnete Ludwig. – »Es ist gut,« sprach Bernhard, indem er Hafer in die Futterbeutel schüttete und sie den hungrigen Tieren vorhing, »daß wir hier etwas abgesondert liegen und doch wenigstens eine alte Scheuer zum Stall haben bei diesem rauhen, regnichten Herbstwetter. Ständen wir auf freiem Felde, daß man meilenweit sehen könnte, was wir an Furage erbeutet haben, so würden wir mehr ungebetene Gäste bekommen, als Fliegen zu einem Napf süßer Milch heranschwärmen. Sieh, sieh, wie es den alten Burschen schmeckt! Ja, mein Braunerchen, solcher Hafer ist für dich ein Austernschmaus.«
Indem beide das vergnügliche Geschäft, ihre Rosse zu Pflegen, mit Eifer betrieben, trat unbemerkt Rasinski ein, der von einem Gange aus dem Hauptquartier, wohin er zur Parade gewesen war, zurückkehrte. »Was Tausend«, sprach er, »ihr füttert ja so reich und prächtig wie im Marstall von St.-Cloud. Wo habt ihr denn diesen Schatz gefunden?«
»Ei, guten Abend«, wandten sich die Angeredeten zu Rasinski um.
»Nicht wahr,« fragte Bernhard, »das wird den Kleppern wohl behagen nach der langen Fastenzeit und Kräuterkur? Ich hatte die Dragoner belauscht; sie schleppten einige Säcke Hafer dort drüben aus dem Walde heraus. Hm, dachte ich, da ist vielleicht noch mehr zu haben, schlich hin, folgte wie Däumling der Spur der verlorenen Körner und der breiten Stiefeln und kam bald an einen Flecken, der vor acht Tagen vielleicht ein Dutzend Häuser gehabt haben mag, jetzt aber nur noch ein Dutzend Feuerstellen aufweisen kann. Auf dem einen Herd waren aber die Flammen zu früh ausgegangen; das halbe Wrack stand noch da. Ich kletterte über Asche und Kohlen hinein und fand in einer finstern Ecke gerade noch diesen Sack mit Hafer, den die Dragoner entweder nicht gesehen, oder, weil sie ihn nicht fortbringen konnten, dort versteckt haben mußten.«
»Du bist immer geschickt, Bernhard«, sprach Rasinski freundlich, aber doch mit einem Ausdruck von Wehmut im Gesicht, der beiden auffiel. – »Glücklich, nur leidlich, glücklich«, erwiderte Bernhard. – »Glück ist ein Geschick«, fiel Ludwig ein.
»Ja, ein Geschick, das heißt ein Schicksal, aber keine Geschicklichkeit. Studiere deine Muttersprache besser, Ludwig, das rate ich dir an, denn du drückst dich sonst zu unbestimmt aus. Aber du hast ja Briefe«, wendete er sich ablenkend zu Rasinski.
»Für Ludwig; und wichtige Nachrichten für uns alle. Morgen wird es zur Schlacht kommen.« – »Wirklich?« rief Bernhard lebhaft. – »Endlich! sprach Ludwig, meinte aber damit die Ankunft der seit vielen Wochen vergeblich erwarteten Briefe von den Seinigen. Indem er sie öffnete, berührte Rasinski Bernhards Schulter leise und gab ihm einen Wink mit den Augen in Beziehung auf Ludwig.
Bernhard verstand nicht, was dies bedeuten solle, schwieg aber und heftete nur aufmerksame Blicke auf Ludwig. Dieser las mit heftiger Bestürzung; er erblaßte, große Tränen rollten über seine Wangen; plötzlich ließ er die Linke mit dem Briefe sinken, bedeckte sich mit der Rechten die Augen und reichte sie dann, indem er
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