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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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pressen statt der Geliebten. Du wirst vielleicht nicht böse, Ludwig; aber es verdrießt mich etwas und ich muß es dir sagen. Es hätte mir was bedeutet, wenn das Datum und die Stunde gestimmt hätten; indessen es ist nichts.«
    »Wieso, Lieber?«
    »Als wir durch den Dnjepr ritten, mußte ich, du weißt's ja, so lebhaft an deine Schwester denken, als ob sie neben uns hinschwebte. Wenn es die Todesstunde der Mutter gewesen wäre – ich bin ein Mann, ich weiß es, doch ich hänge einmal an dergleichen. Aber sie ist ja morgens und drei Tage früher hinübergegangen.« Ludwig lächelte wehmütig, Bernhard neigte das Haupt; beide schwiegen einige Minuten und blickten in die Landschaft hinaus.
    »Die gute Marie!« begann Ludwig wieder, »sie kümmert sich um meine Einsamkeit und steht doch selbst so ganz verlassen!«
    »So muß es jedem scheinen, der nicht immer zunächst an sich denkt. Auch kommt eine sehr allgemeine Täuschung dazu. Der Mensch kann niemals ganz aus seinen Empfindungen und in fremde hinein. Weil Marie dich so weit getrennt von ihr fühlen muß, so fühlt sie dich getrennt von allem; und du umgekehrt ebenso. Nichts ist uns natürlicher, als uns einen Bewohner Sibiriens oder des Feuerlandes als ganz verstoßen vom Erdkreise zu denken; denn nichts fällt uns weniger ein, als daß dem Kamtschadalen ein Einwohner von Paris ebenso entfernt, so an der äußersten Grenze der bewohnten Erde erscheinen muß, ja ebenso enterbt und verlassen von allen Wohltaten der Natur, weil alles Dortige ganz außer dem Kreise seiner Vorstellungen und Wünsche liegt. Doch sieh, wie der Wind den Rauch der Wachtfeuer durch die Ebene weht; er drückt ihn ordentlich auf den Boden nieder. Die Luft atmet sich schwer. Denkst du mit Besorgnis an die Schlacht?«
    »Nein, Bernhard,« sprach Ludwig offen; »meine Seele ist so ganz anders beschäftigt. Vielleicht wenn wir mitten im Getümmel sind, daß mich's mit fortreißt. Ich habe mir's vormals als das größte Erlebnis gedacht, einer Schlacht beizuwohnen: hat mich das gefahrvolle unstete Treiben des Kriegs überhaupt, diese häufige Wiederholung des Vorspiels zu dem Hauptdrama, daran gewöhnt, oder ist es, weil meine Gedanken ganz verschieden beschäftigt sind; allein ich empfinde es jetzt fast nur als ein gleichgültiges Ereignis, daß morgen sich das Geschick zweier Völker entscheiden soll, wiewohl meine Vernunft mir das Gegenteil sagt.«
    »Lieber,« begann Bernhard, »ich fragte nicht ohne Absicht danach, sonst hätte ich jetzt wohl von andern Dingen mit dir gesprochen. Aber vergib mir, ich denke mit an Marien; der Schluß ihres Briefes – ich glaube zwar, daß ihre Bitten im Grunde soviel gelten als zehn Schutzheilige – dennoch – deinetwegen fürchte ich die Schlacht, und es wäre mir, geradeheraus, lieb, wenn du nicht darein verwickelt würdest. Laß mich mit Rasinski sprechen.«
    »Nein!« entgegnete Ludwig sanft, aber fest. »Du weißt, daß kein innerer Beweggrund mich zum Kampfe treibt, daß meine Wünsche sich sogar mehr für die Sache der Gegner entscheiden, weil ihr Sieg unser Vaterland wenigstens von der Unterdrückung, die es in diesem Augenblicke duldet, befreien würde; allein dennoch widerstrebt etwas in mir deinem Vorschlage so entschieden, daß ich keinen Augenblick wanken kann. Zuerst bin ich ein Mann; ich müßte mich als solcher herabgesetzt fühlen, wenn ich in der Stunde der Gefahr mich selbst bedächte.« – »Wahrlich, ich denke nur an Marien,« rief Bernhard, »und weiß, daß du ein Opfer bringen würdest; aber ich weiß nicht, ob du es nicht solltest!« – »Nur für sie wünsche ich zu leben,« entgegnete Ludwig, »und der Himmel ist mein Zeuge, daß ich, soll ich fallen, nur der einsam Zurückgebliebenen gedenke. Doch – nein – nein; der Scharfsinn meiner Gründe möchte besiegt werden können durch scharfsinnigere, aber nimmermehr das Gefühl in meiner Brust. Marie selbst würde sich meiner schämen; sowenig wie sie mir das Leben durch etwas Unwürdiges zu erhalten vermöchte, sowenig kann sie erwarten, daß ich es für sie tue. Nein, Bernhard, deine Liebe führt dich zu weit!«
    »Du bist mit deinem wahren Mute über diesen Schein des Verdachts erhaben; ich bin es auch und würde mich, falls ich eine Ursache in mir fände, von der Schlacht zurückzubleiben, keinen Augenblick bedenken.«
    »Auch ich nicht, wenn das Zurückbleiben selbst der Zweck meines Handelns wäre; nicht aber, wenn es das Mittel sein soll. Überdies vergiß nicht, daß

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