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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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dieser Zeit starb mein Pflegevater, der Pfarrer, und sein Bruder beerbte ihn, das heißt, er bekam die nachgelassenen Papiere. Unter ihnen war eins, das er mir nach London schickte. Auf diesem stand ungefähr folgendes, von seiner eigenen Hand geschrieben: «Eines Abends, als ich schon zu Bett war, klingelte es heftig mehrmals an der Haustür. Die Haushälterin öffnete; ein fünfjähriger Knabe, der die Glocke gar nicht hätte erreichen können – das war ich nämlich –, stand davor. Er hatte einen Brief an mich in der Hand. Ich öffnete ihn und fand eine Anweisung von 2000 Gulden auf einen Frankfurter Bankier darin, die man mir unter der Bedingung gab, daß ich das Kind, welches sie überbrächte, erziehen sollte. Man kenne mich als einen redlichen Mann, der ein solches Zutrauen rechtfertigen werde, und wolle nach einiger Zeit sich wieder nach dem Kinde erkundigen. Ich habe meine Pflicht nach besten Kräften getan, obwohl mich bald darauf der Krieg um das brachte, was ich für den Knaben in Besitz genommen hatte. Sein Talent zur Malerei bestimmte mich, ihn zu meinem Bruder nach Dresden zu senden. Seine Wäsche war mit einem B gezeichnet, danach nannte ich ihn Bernhard. Dies und ein goldener Trauring, den wir erst später zufällig in seinem Kleidchen eingenäht fanden und in welchem die Buchstaben B. W. stehen, sind die einzigen Zeichen, an denen man seine wahren Eltern wiedererkennen kann.‹ Dieses Dokument nebst dem Ringe schickte mir mein Oheim, wofür ich ihn wenigstens stets gehalten, nach London, mit dem Auftrage, ich möge nun, dort oder in der Heimat, selbst nach meinen Eltern forschen. Weiter blieb mir auch nichts übrig, denn wie du weißt, starb mein Oheim vor zwei Jahren so plötzlich, daß ihn meine Antwort nicht einmal mehr am Leben traf und daher an mich zurückging. So sind wir in demselben Falle. Aber ich beteuere dir, Ludwig, ich habe auch noch nicht den Finger gerührt, um eine Entdeckung zu machen. Was will ich mit Eltern, die in meinem ganzen Leben nichts von mir gewollt haben? Reich oder arm, vornehm oder gering, mir ist alles eins; Liebe können sie nicht zu mir gehabt haben. Mit dir ist's freilich anders, aber auch weit unwahrscheinlicher – denn welcher Vernünftige zählt auf das große Los im Glücksrade? Ich würde nur dem Schuft Romanay, oder wie er hieß, auf die Spur zu kommen suchen, um ihm etwa den Hals umzudrehen. Aber der Vater –; zwanzig Jahre verschollen ist tot.«
    »Nein, Bernhard!« rief Ludwig, »ich kann so nicht fühlen. Mächtig stürmt die Hoffnung in meiner Brust, ich werde einen Vater finden und ihm vielleicht ein heiteres Ziel des Lebens bereiten können. Und diese Liebe steht mir näher als die Rache nach einem, den vielleicht das Maß seiner Schuld schon längst erreicht hat. Nein, ich hoffe noch!«
    »Das wird acht Tage dauern, die nächsten Monate hindurch taucht es noch einigemal auf; aber wenn dann Jahre verflossen sind und alles bleibt wie es ist, so wirst du sehen, daß so schwache Hoffnungen verglimmen wie eine Flamme ohne Nahrung.«
    »Freilich,« entgegnete Ludwig, »bin ich, so scheint es, darauf angewiesen, meine teuersten Hoffnungen an fast unsichtbare Fäden sich knüpfen zu sehen, und man könnte mir's verzeihen, wenn ich daran verzweifelte, durch sie den Ausweg aus dem Labyrinth meines Schicksals zu finden.«
    Rasinski hatte indessen den Ring genommen und betrachtete ihn aufmerksam. »Hm! Welche Buchstaben nanntest du, die in dem Ringe ständen?« wandte er sich fragend an Bernhard. – »B. W.«, erwiderte dieser. – »Wenn man freilich,« bemerkte Rasinski nicht ohne eine etwas verweisende Betonung, »so zarte Fäden nur obenhin betrachtet, dann wird es allerdings unmöglich, sie zu verfolgen und, durch sie geleitet, den Ausweg des Labyrinths, wie Ludwig sagte, zu finden. Ich lese nicht B.W., sondern ganz deutlich L.W. in diesem Ringe.«
    »Unmöglich!« antwortete Bernhard, griff hastig nach dem Ringe und hielt ihn gegen das Licht. »Das ist ein Blendwerk der Hölle!« rief er plötzlich erblassend aus. »In meinem Ringe stand B.W., oder ich will ewig verdammt sein. Treibst du dein Spiel mit mir?« fuhr er heftig gegen Rasinski auf.
    »Wie kannst du nur glauben!« sprach dieser und stand erstaunt und bewegt auf; auch Ludwig betrachtete den Freund mit äußerster Spannung. In seinen Zügen war eine Bewegung zu lesen, wie er sie nie gesehen, seine Fassung war verloren, er schien ganz überwältigt durch die aufregenden Gefühle seiner

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