Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
Vom Netzwerk:
und andere bestimmt glaubte, mußte sich unter die drückende sklavische Pflicht der Erhaltung des äußerlichen Daseins beugen. Die traurigen Schicksale, welche mich zuerst auf diese rauhe Bahn führten, lassen Sie mich verschweigen. In Warschau fanden Sie mich auf derselben; die Stunde im Hause der Gräfin, die flüchtigen Tage, wo ich Sie dort sah, waren die schönsten meines Lebens. Gern wäre ich dort geblieben, allein der empörende Antrag eines Mannes, in dessen Händen dort alle meine Verhältnisse standen, zwang mich, bald nach Ihnen, wenige Tage nachdem die Gräfin abgereist war, die Stadt zu verlassen, wo es mir so wohl ergangen war, wo aber, wie durch einen rauhen Sturm vertrieben, plötzlich alle diejenigen, die mir Freundschaft zeigten, denen ich Zutrauen schenkte, nach allen Weltgegenden zerstreut wurden. Ohne Rat und Hilfe, blieb mir nichts übrig als den nächsten Zweig zu erhaschen, der sich mir in dem Schiffbruche darbot. Ein Theaterunternehmer, der auf die Macht und die Siege des Kaisers das unbedingteste Vertrauen setzte, beschäftigte sich damit, Teilnehmer für eine französische Bühne zu werben, durch welche er dem Heere den Winteraufenthalt in Rußland zu erheitern gedachte. Anfangs hieß es, der Kaiser werde zu Witepsk bleiben; dahin folgte ich dem neuen Führer meines schwankenden Geschicks. Ich wagte mich mitten in das Getümmel des Kriegs hinein; ohne Furcht, darf ich sagen, denn ich bin der Stürme des Lebens gewohnt worden, lieber Freund, und äußere Gefahr schreckt mich nicht mehr. Doch kaum waren wir zu Witepsk angelangt, als das Heer aufbrach und jene Stadt so öde und wüste wurde wie zuvor. Um nicht die großen Kosten, die er bereits aufgewendet, zu verlieren, entschloß sich der Unternehmer, der Armee zu folgen. Er hatte das sicherste Vertrauen, daß der Kaiser bald in Moskau sein werde; dadurch suchte er uns zu bestimmen, uns nicht von ihm zu trennen. Dennoch wäre ich gewiß nach Polen oder Deutschland zurückgekehrt, aber«, sie stockte hier einen Augenblick. »Doch warum sollte ich mich dessen schämen,« fuhr sie ein wenig errötend fort, »es fehlte mir an dem Gelde dazu!«
    »O, warum suchten Sie mich, warum den Grafen Rasinski nicht auf!« fiel Jaromir ein. »Wir standen ja dicht bei der Stadt, und ich selbst war täglich dort.«
    »O, hätte ich Sie gesehen,« entgegnete Alisette, »zu Ihnen hätte ich vielleicht den Mut gefaßt, den eine solche Bitte fordert. Doch den andern gegenüber hätte mich eine unbesiegbare Scheu zurückgehalten. Auch sah ich den Grafen nur einmal auf seinem prächtigen Schimmel stolz und ernst vorüberreiten; ich stand am Fenster, doch er bemerkte mich nicht.«
    »Die Unmöglichkeit der Rückkehr,« fuhr Alisette nach einer Pause fort, »trieb mich immer weiter in den fortwirbelnden Strom hinein. Nur für die nächsten dringendsten Bedürfnisse sorgte der Unternehmer; in allem übrigen vertröstete er uns auf Moskau, vielleicht nur, um uns jeden andern Ausweg zu versperren. Die Nähe der Armee, die oft seltsamsten Nachtlager, die Notwendigkeit, stets mitten unter Männern zu verkehren, bestimmten mich, männliche Tracht anzulegen. Als ein großes Glück darf ich es betrachten, daß es mir gelang, einen Platz auf dem Bagagewagen eines Generals zu erlangen, denn ich galt nun für einen seiner Dienstleute und die Reise wurde mir ungleich weniger beschwerlich. Wir kamen wenige Tage nach der Schlacht durch das noch rauchende Smolensk. Hier hatte ich den ersten Anblick aller Schauder des Kriegs. Vor Grausen fast erstarrt, fuhr ich bebend auf der entsetzlichen Straße hin, die man mühsam durch Schutt und Trümmer gebahnt hatte, der zur Seite halbverbrannte Leichname und menschliche Gebeine aufgehäuft lagen. Ich mußte endlich das Auge schließen vor diesen gräßlichen Bildern. Aber von nun an erneuerten sie sich täglich. Vielleicht sah ich Schrecklicheres als Sie selbst, denn Sie eilen auf der Bahn des Sieges vorwärts und wenden das Auge nicht zurück auf die entsetzlichen, blutigen Spuren, die das langsam weichende Ungeheuer des Kriegs zurückläßt. Ich aber habe sie gesehen, diese Jammergestalten am Wege, diese hohläugigen, bleichen Gespenster, die uns ihre dumpfen Klagen entgegenwimmerten! Ich habe sie gesehen, und mußte vorüber, ohne ihnen helfen zu können. Und in diese Wüsteneien voller Elend und Entsetzen trieb mich mein Schicksal hinein! Mit jedem Schritte unserer ermatteten Pferde verschloß sich die Rückkehr unwiderruflicher. Der

Weitere Kostenlose Bücher