1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
Ich dachte nur an sie in der Schlacht! Nur ihr weinendes Bild stand vor meiner Seele; ich sah nicht Schrecken, nicht Gefahr. Es schien mir süß, zu sterben, wenn man so betrauert würde – noch süßer schien es mir zu leben! O, wie töricht war dieser Wunsch. Warum liege ich nicht bei den Freunden auf der Walstatt, da wäre mir besser!«
»Und uns bräche das Herz!« rief Alisette schmerzlich aus und schrak heftig und scheu zusammen, als das Wort ihren Lippen entflohen war. Der Ausruf, den die Übermacht ihrer vergeblich bekämpften Gefühle ihr entrissen, leuchtete wie ein Blitzstrahl in die verborgenste Tiefe ihres Herzens hinab. Sie liebt dich, dachte Jaromir gerührt, und der Gedanke fing an, ihn mit glühendem Leben zu durchdringen; sie liebt dich wahrhaft und hat es bekämpft und getragen in jungfräulicher, scheuer Brust. Wie konnte dein Auge über dies holde Wesen unbeachtend, verkennend hinweggleiten! O, es ist eine wunderbare, gnädige Schickung des Himmels, welche dir im Augenblick des tiefsten Schmerzes diesen Engel des Trostes sendet!
Nach dem unwillkürlichen Geständnis hatte Alisette scheu, beschämt den vergeblichen Versuch gemacht, sich der Umarmung Jaromirs zu entwinden, um ihm zu entfliehen; er drückte sie mit wachsender Liebe an sich, doch sie verbarg ihre schamglühende Wange an seinem Busen.
»Nein, richte dich auf, blick mir ins Angesicht, du liebreizendes Wesen; laß die jungfräuliche Scheu nicht das schönere Gefühl deines Herzens besiegen.
Du liebst mich? Darf ich es hoffen, darf ich es aussprechen? – – O, jetzt erst, erst in diesem Augenblicke weiß ich, was Liebe ist. Wie kalt war Lodoiskas Umarmung!« Er preßte seine brennenden Küsse auf die Lippen der erschöpft Hingegebenen; ihr Widerstand erstarb in seiner Glut. Die finstere Gestalt seines bösen Dämons trat ungesehen hinter ihn; sie erhob die drohende Hand und hielt sie schwebend über seinem Haupte. Noch einen Schritt und die kalte grauende Berührung trifft deine Scheitel, und der Hauch der Vergiftung dringt tödlich in deine Brust. Ist kein gütiger Genius dir nahe? Tritt die reine Gestalt der Geliebten nicht rettend zwischen dich und das Trugbild, das dich umfängt? Die Himmlischen wachen nicht über dir – du sinkst in das Netz der verderbenden Mächte!
»Willst du mein sein? Ewig mein?« bat Jaromir stürmisch zärtlich. »Kannst du dem vergeben, der dich verkannte, der an dem Demant deines Herzens blind vorüberging? Alisette, ich habe schweres Unrecht gegen dich gut zu machen! Aber vergib mir – vergib dem Verblendeten!«
»O, unaussprechliche Gnade des Himmels«, rief Alisette aus tiefster Brust und umschlang ihn mit ihren weichen Armen. Ihr Busen flog, ihre Lippen glühten an den seinigen, ihr Atem erstarb in seinen Küssen! Jaromir zitterte in schauerlicher Wonne! Die brausende Kraft der Jugend stürmte in allen seinen Sinnen. Bis dahin hatte er nur die reine Opferflamme der Liebe gekannt, fern stehend ihre sanfte, veredelnde Wärme empfunden, ihren heiligen Glanz verehrt. Verwegen trat er dem Heiligtum zu nahe. Gleich glühendem Metall rollte jetzt das Feuer durch seine Adern, die Flamme ergriff den Saum seines Gewandes, sie schlug im mächtigen Wogensturm betäubend über ihm zusammen. Wie wenn an der Stelle gotterfüllter, leuchtender Klarheit heiliger Wahnsinn aufflammt und die verheerende Fackel schwingt, so daß das ewig Göttliche selbst sich zum ewig fluchwürdigen Verderben verkehrt, so erbleichte der reine Mondenglanz seiner geläuterten Liebe vor dem tobend ausbrechenden Vulkan seiner Leidenschaft.
»Um aller Heiligen willen, du stürzest mich ins Verderben«, rief Alisette und sank, vor der stürmenden Glut des Jünglings erbebend, auf die Knie vor ihm nieder. Doch mit kräftigem Arm umschlang er sie, hob sie zu sich empor und erstickte ihr Flehen in seinen Küssen. »Mein sollst du sein in dieser Minute, ganz mein, und für ewig!« So rief er aus und hielt die machtlos Widerstrebende in unauflöslicher Umarmung. Die Hände, die sie mit schwacher Kraft abwehrend gegen seine Brust drückte, sanken ihr matt herab; überwältigt war jetzt das willenlose Opfer seiner siegenden Jugend und Liebesgewalt. Dämmerndes Dunkel umhüllte die Liebenden. Der reine Lichtstrahl webt den Gürtel der Keuschheit mit unsichtbaren Fäden dichter; die buhlerische Nacht ist hilfreich geschäftig, die heilige Hülle des jungfräulichen Schleiers zu heben. Jaromir zog das bebende Mädchen an seine Seite auf die
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