Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
Vom Netzwerk:
anzuvertrauen. »Halt, Knabe,« sprach er, »nicht weiter, bevor du mir sagst, wohin!« – »Ein Pole, ein Soldat, und Furcht?« sprach der Kleine mit fast spöttischem Tone.
    Die Antwort verdroß den mutigen Jüngling. »Furcht?« rief er; »ich glaube fast, du selbst bildest dir ein, mich zu schrecken. Weiter denn, in Teufels Namen, aber du bist mir Bürge für alles, was mir begegnet.« Der Knabe antwortete nicht, bot jedoch Jaromir seine Hand dar, der sie so fest ergriff, daß ihm der kleine Führer nicht entrinnen konnte; hierauf zog er mit der Rechten seinen Säbel und sprach: »Jetzt vorwärts, wohin du willst!«
    Der schweigende Kleine leitete ihn die Stufen der Treppe hinan, öffnete oben die Tür eines Gemachs und führte ihn dann durch eine lange Reihe, wie es schien, leerstehender Gemächer, in denen die tiefe Dämmerung, welche draußen auf der Straße herrschte, schon fast als völliges Dunkel erschien. Jaromirs Herz klopfte; ein eigenes Gefühl beschlich ihn, als gehe er einer Gefahr ganz besonderer Art entgegen, und doch trieb ihn die aufs höchste gespannte Erwartung, der Lösung des Geheimnisses entschlossen entgegenzuschreiten.
    Sie hatten jetzt ein völlig dunkles Gemach erreicht. Der Knabe warf die Tür hinter ihnen ins Schloß, entschlüpfte mit einer unvermuteten Wendung aus der Hand Jaromirs und rief ihm aus dem Dunkel, indem man noch stand, mit anmutiger Stimme nur die Worte zu: »Hier wartet einen Augenblick.« Jaromir wollte den Knaben haschen, allein er war schon entsprungen, und eine zweite Tür, die sich schloß, ließ erraten, daß er das Gemach verlassen habe.
    In dem völlig dunkeln Zimmer ganz allein, wurde Jaromir doch unschlüssig, was er tun sollte; er versuchte die Tür zu öffnen, durch die er eingetreten war, allein sie mußte ein Springschloß haben, denn sie widerstand dem Versuch. »Sollte irgendein Hinterhalt des Feindes dich hier bedrohen?« fragte er sich selbst. »Doch was könnte dazu veranlassen, gerade dich unter so vielen Tausenden zu verlocken? Und wie zufällig stieß man auf dich! Es gäbe wohl wichtigere Köpfe im Heere, wenn der Feind danach trachtete. Aber was in aller Welt kann man wollen? Warum diese geheimnisvolle Weise!«
    Von diesen Gedanken beunruhigt, trat er ans Fenster, welches, durch dichte seidene Vorhänge geschlossen, sich durch eine schmale Lichtspalte bemerkbar machte. Er schob den Vorhang zurück; das Gemach sah nach einem Garten; jenseit desselben erblickte man durch das Halbdunkel die von den Flammen der Biwaksfeuer angestrahlten beiden Turmspitzen, welche dicht an Jaromirs Biwak standen und ihm zum Leitpunkte dienten. Täuschte er sich nicht ganz, so mußte er durch den Garten auf dem nächsten Wege zu den Seinigen gelangen können. Er erinnerte sich zugleich einer ziemlich langen Gartenmauer, welche an der Straße, wo sein Biwak lag, entlang führte, und einer kleinen Pforte in derselben. Mit militärischem Geschick wußte er diese Umstände der Örtlichkeit sogleich in Beziehung zu bringen und zweifelte nicht, daß er, im äußersten Falle, wenn er nur den Garten gewänne, auch die Mauer erreichen und von dort die Hilfe seiner Kameraden herbeirufen könne. In Gedanken entwarf er bereits den Plan eines Rückzugs für den Fall, wo er angegriffen würde. Nur in den Garten hinabzukommen, war die Schwierigkeit, denn der Sprung aus dem Fenster war hoch. Da half ihm der Zufall; er hörte plötzlich das Knarren einer Tür auf der Angel dicht neben sich. Dem Geräusch nachgehend entdeckte er eine Tapetentür, die, schlecht zugemacht, vom Winde bewegt worden war; er öffnete sie und stand in einem Korridor, dessen Fenster auf den Garten ging. Da es durch keinen Vorhang geschlossen war, fiel Licht genug hinein, um den Raum weiter zu untersuchen. Doch schon nach den ersten Schritten fand er eine kleine Treppe, die, zu seiner Freude und Beruhigung, gerade in den Garten hinunterführte, dessen Eingang nicht einmal verschlossen war. Er stand nun unten, Herr seiner Freiheit: doch ein Gefühl der Scham und Ehre trieb ihn wieder hinauf; zufrieden, sich einen Rückzug gesichert zu haben, war er entschlossen, das Abenteuer zu bestehen. Eben hatte er das dunkle Gemach wieder erreicht, als die Tür, durch welche sein Führer verschwunden war, sich öffnete und ein matter Lichtschimmer ins Gemach fiel. Eine weibliche Gestalt, in weiße Schleier und Gewänder gehüllt, trat mit leichter anmutiger Bewegung ein; sie hielt eine durch ein matt geschliffenes Glas

Weitere Kostenlose Bücher