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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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gedämpfte Lampe in antiker Form in der Hand. Jaromir, der sich auf einen Feind, oder wenigstens auf einen diplomatisch oder militärisch gefährlichen Auftrag gefaßt gemacht hatte, war höchst erstaunt. Mit einiger Verwirrung verbeugte er sich; doch die Fremde setzte die Lampe aus der Hand auf einen Marmortisch, schritt auf ihn zu und fragte, jedoch ohne den Schleier zu lüften, mit lieblicher, ihm äußerst bekannt klingender Stimme: »Erraten Sie nicht, wer vor Ihnen steht?« – »Beim Himmel, nein!« rief Jaromir, »aber kennen muß ich Sie!« – »Sie haben kein treues Gedächtnis,« entgegnete die Unbekannte; »und ich erkannte Sie doch mitten im Getümmel der Menge, und mein Herz schlug erleichtert, weil ich einen Freund und Beschützer zu finden hoffte. Aber ich muß Sie doch darum bitten, es mir zu sein! –« Mit diesen Worten schlug sie den Schleier zurück und blickte beschämt zu Boden. Die Dämmerung, die im Gemach herrschte, verbarg ihre vom Lichte abgewendeten Züge. Jaromir, aufs äußerste gespannt, ergriff ihre Hand und zog sie hastig gegen die Lampe; sie widerstrebte nur leise, senkte aber mit weiblicher Scheu das Haupt. »Alisette! Sie selbst?« rief er außer sich vor Erregung staunen, da er sie jetzt erkannte. »Wie ist es möglich, daß Sie hierher kommen!«
    Sie schlug ihr schönes blaues Auge, das im feuchten Glanze schimmerte, gleichsam bittend zu ihm auf und sprach mit bewegter Stimme: »Freilich ist es mir selbst fast unbegreiflich, doch es gibt Zeiten und Verhältnisse, welche auch uns Frauen in die seltsamsten und außerordentlichsten Lagen bringen. O, ich fühle es tief,« fuhr sie mit gesenkten Augen fort, »wie feindlich der Schein ist, der auf mich fällt, da Sie mich hier sehen! Doch wüßten Sie –«
    »Ich schwöre Ihnen,« rief Jaromir feurig, »daß mein Herz keinen unwürdigen Verdacht aufzunehmen vermag!«
    »O Sie wohlwollender Freund«, sprach Alisette gerührt, ergriff seine Hand und drückte sie mit Wärme. Dann sank sie müde und erschöpft auf das Sofa nieder, welches die Rückwand des Gemachs einnahm, und drückte ihr lockiges Haupt in das seidene Kissen. Sie schien still zu weinen. Jaromir stand vor ihr und betrachtete das schöne Mädchen mit klopfendem Herzen. Das Haupt ruhte auf dem weichen, leichtverhüllten Arme; die Locken fielen beschattend über Wangen und Nacken; die rechte Hand hing lässig herab. Leise setzte er sich zu ihr, nahm ihre Hand und sprach mit wahrhafter Rührung: »Fassen Sie sich, armes Mädchen!« Sie richtete sich langsam auf. »Ach,« seufzte sie, »wenn sich das Gemälde meines Lebens einmal mit recht lebendigen Farben wieder vor meine Seele stellt, dann unterliegt meine Kraft. Vergeben Sie mir nur! – – Aber hören müssen Sie, welche Schicksale mich hierher führten. Vor allem beantworten Sie mir die Frage: Erkannten Sie mich zuvor nicht?« – »Sie? Wann?« fragte Jaromir verwundert. – »Sie hätten mich nicht in der männlichen Kleidung gekannt?« – »Unmöglich! Sie selbst waren der zierliche, schelmische Bote? , Nun begreife ich die dunkeln Anklänge der Erinnerung –«
    »Der schelmische Bote!« unterbrach Alisette mit einer bittern Betonung. »O, wenn Sie wüßten, was es mich gekostet hat, diese Maske durchzuführen! Aber ich stand auf dem Theater, wo ich ja oft mit zerrissenem, blutendem Herzen ein heiteres Angesicht zeigen mußte! Doch, wollen Sie mich anhören? Wird meine Erzählung Sie nicht ermüden? Werden Sie mir Rat und Beistand nicht versagen?«
    »Ein Elender wäre ich, wenn ich nicht alles für Sie zu tun bereit wäre!« rief Jaromir und drückte ihre zarte Hand, die noch immer in der seinigen ruhte, an die Lippen und bedeckte sie mit feurigen Küssen. Alisette ließ sie ihm und hielt sich mit der andern ihr Tuch vor die weinenden, schönen Augen. – »Nun erzählen Sie, erzählen Sie mir alles,« bat Jaromir; »trocknen Sie diese bittern Tränen, denn Sie haben einen Freund, einen Bruder gefunden.« – »Und ich will ihm vertrauen wie einem Bruder«, entgegnete das schöne Mädchen und drückte leise seine Hand.
    »Sie wissen vielleicht nicht,« begann sie, »daß mein Stand mir verhaßt ist. Warum – darf eine Frau, ein Mädchen Ihnen das erst erklären? Aber die dringendste Not, die Sorge für das einzige, zurückgebliebene Kind einer teuern Schwester, die ich in England verlor, zwang mich in dieses unselige Verhältnis hinein. Mein Talent, das ich nur zur freien Verschönerung des Lebens für mich

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