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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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Augenblick harren, um die Wagenreihen zu durchbrechen. Es war ihm lieb, weil er noch Jaromir erwartete, den Ludwig aus dem Lazarett, in welchem er als Kranker gelegen hatte, abholte; denn der Befehl zum Aufbruch war so rasch gekommen, daß man Jaromir nicht benachrichtigen konnte, sondern Boleslaw für das Gepäck und die Pferde desselben Sorge tragen mußte. Sie wurden ihm durch seinen Reitknecht vorgeführt und er hatte nichts weiter zu tun als aufzusitzen. Ludwig war von Rasinski deshalb mit zu ihm gesandt worden, um ihn mit ernstlichen Freundesworten zu dem Entschluß zu bringen, die geheimnisvolle Hülle, mit der er das Geschehene verbarg, wenigstens für einen Freund zu heben. Bei dem wahren väterlichen Anteil, den Rasinski an Lodoiska wie an Jaromir nahm, lag ihm die Sorge um diese beiden so am Herzen, daß sie selbst durch diese entscheidenden Kriegsereignisse, die sich so plötzlich gestaltet hatten, nicht verdrängt werden konnte. Jetzt gewahrte er die Kommenden von weitem, sie sprengten rasch auf die Harrenden zu. Jaromir ritt nach dem üblichen Zeremoniell des Dienstes auf Rasinski zu und meldete sich als hergestellt und in die Reihen der Krieger wieder eintretend. Er sah noch bleich aus, ja er schien sich sogar nur mühsam gerade und fest im Sattel zu halten; seine Sprache hatte etwas Gedämpftes, das Feuer des Auges war erloschen.
    Rasinski nahm keine dienstliche Haltung an, sondern reichte ihm mit väterlicher Teilnahme die Hand und sprach: »Sei uns willkommen, Jaromir; wir haben um dich gefürchtet; sei herzlich begrüßt.« Bei diesen, mit dem Tone inniger Rührung ausgesprochenen Worten verlor Jaromir die feste Haltung, die er gewaltsam anzunehmen bemüht gewesen war. Zwar blickte er den wohlwollenden Freund ernst an; doch konnte er einer Träne, die aus den matten Augen hervordrang, nicht gebieten. Nur zitternd reichte er ihm die Hand hin und wagte es nicht, den herzlichen Druck Rasinskis zu erwidern. »Sei streng, sei hart mit mir; ich bin keiner Güte mehr wert«, sprach er mit verzagender Stimme.
    Rasinskis geübtes Auge sah dem Jüngling bis in die tiefste Seele hinein; jetzt ward es ihm unumstößlich klar, daß nicht ein verwirrendes Trugbild, sondern eine wirkliche Schuld die Seele des Unglücklichen verfinsterte. Der Augenblick war günstig; er sah ihn weich; jetzt konnte er sein Vertrauen gewinnen. Doch mußte er damit eilen, ehe der Entschluß hartnäckigen Schweigens wieder die Oberhand in dem Jünglinge gewann. »Boleslaw,« rief er daher diesen an, »führe die Leute dort die zweite Gasse hinunter und suche das Feld zu gewinnen. Dann bleibe rechts der Straße. Hier könnten wir noch einen halben Tag warten, ehe wir uns Bahn machten. Ich selbst werde mit Jaromir hinter den Gärten herumreiten und treffe euch auf dem Hügelrande vor der Stadt wieder.« Er winkte Jaromir, sprengte mit diesem die Gasse hinunter und ritt nicht eher langsam, als bis sie dem Felde nahe zwischen Gartenzäunen ihren Weg völlig einsam machten.
    »Hat Ludwig nichts über dich gewonnen, Jaromir?« redete er ihn jetzt ernst, aber sanft an. »Willst du keinem deiner Freunde, selbst mir nicht, der ich dich Sohn nennen kann, Vertrauen schenken? Welche Schuld wirfst du dir vor? Ist sie eine Einbildung deines fieberkranken Gehirns? Oder ist sie wirklich? Wenngleich du auch von dem letzten überzeugt bist, muß ich doch das erste glauben; denn der Mann, hat er gefehlt, so bekennt er es frei und offen.«
    »Will ich's euch denn verbergen?« rief Jaromir aus. »Will ich denn besser scheinen, als ich bin? Nein, ich will mir nur die Buße auflegen, meine Reue und Scham allein zu tragen; ich will nicht, daß es euerer mitleidigen Güte zuletzt gelingen soll, mich zu überreden, es dürfe mir vergeben werden. O, verkenne mich nicht, Rasinski! Sieh keine Feigheit in dem Entschlusse, stumm, allein zu büßen, was ich ohne Mitschuldige verbrach!«
    Rasinski zog den Brief an Lodoiska hervor. »So nimm diesen Brief zurück; ich darf ihn nicht absenden.« – »Wie? Du hast es nicht getan?« rief Jaromir außer sich. – »Sende ihn selbst!« – »Ach, Rasinski, du mußt es tun; denn sie wird keinen Brief mehr öffnen, den ich ihr sende!« – »Wie? Weshalb nicht?«– »Wenn du mir denn geloben willst, diesen Brief, von deinen väterlichen, tröstenden Worten begleitet, zu ihr zu senden, sobald du vermagst, so will ich meine Lippen gegen dich öffnen. Aber darauf gib mir deine Rechte, du darfst mich nicht wankend machen in

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