1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
zerrissenen, halbverbrannten Mantels könnte ich auch gebrauchen!« – »Sprich nicht leicht hin, Bernhard,« erwiderte Rasinski ernst; »du hast noch nicht erfahren, wie grimmig der scharfe Zahn der Not packen kann. Ich, der ich oft gesehen, wie schwer sich besser Gerüstete als wir gegen sie verteidigen, ich muß ernstliche Sorge tragen, daß wir ihren tausend verwundenden Waffen nicht so viele Blößen geben. Schon jetzt wirft der Nachtfrost uns die Leute aufs Krankenlager, jetzt, wo es uns nicht an Holz mangelt. Aber wenn der Winter hereinbräche, wenn –«
»Je nun, ich meine, wir würden uns dann nach Moskau ziehen. Fünfzehn Werft werden wir doch noch marschieren können?« – »Meinst du?«
Ein ausgestellter Posten rief: »Wer da!« –»Gut Freund von Moskau!« lautete die Antwort. – »Das ist Boleslaw!« rief Rasinski freudig und sprang auf. Im nächsten Augenblicke sprang Boleslaw vom Pferde und begrüßte die Freunde. »Und wo ist Ludwig? Und was bringst du Gutes von Jaromir?« fragten Bernhard und Rasinski fast zu gleicher Zeit. – »Zuerst die Dienstangelegenheiten,« entgegnete Boleslaw. »Ich bin glücklich gewesen. So groß die Not und der Zudrang sind, habe ich doch einigermaßen für die Bedürfnisse unserer Leute sorgen können. Deine Freigebigkeit, Rasinski, setzte mich in den Stand, die höchsten Preise zu zahlen.« – »Laß das, laß das!« unterbrach ihn dieser. – »Ich wurde mit zwei Juden einig. Sie haben mir 80 Paar Stiefelsohlen und 30 Paar neue Stiefel geschafft. Doch konnte ich nur 60 Mäntel auftreiben, und meist alte, doch noch brauchbare, ein Teil dicht gefüttert. Auch erstand ich drei Schafpelze, die freilich vielleicht schon seit Jahren auf dem Leibe russischer Bauern gesessen haben; aber sie sind doch, so teuer ich sie bezahlte, nicht zu verachten. Der Winter wird kommen und wir Polen kennen ihn wenigstens halb. Die Franzosen, scheint es, wollen noch gar nicht glauben, daß das heitere Herbstwetter, das wir bis jetzt hatten, ein Ende nehmen könnte. Ich sagte ihnen, sie möchten nur drei Nächte hier biwakieren.« – »Nun, wo sind die Sachen?« – »Ludwig eskortiert den Transport mit den Leuten. Sie kommen auf einem Wagen, den ich requirierte. Ich bin vorangeritten. Wenn sie uns nur bald finden in diesem Schlupfwinkel!«
»Der Wind trieb uns hierher«, antwortete Rasinski. »Wir wollen den Kommenden einige Leute entgegensenden. Bernhard, wähle einige Mann aus, die bis an die große Straße gehen und sich aufstellen!« Bernhard ging. »Wohl, das wäre trefflich besorgt!« fuhr Rasinski jetzt zu Boleslaw fort. »Es tat uns not. Hast du alles Geld ausgegeben?« – »Nicht ganz; ich konnte nicht so verschwenderisch mit dem Deinigen umgehen. Du opferst dich für alle! Ich habe noch 40 Dukaten übrig.« – »Pfui, Boleslaw! Nur hier hättest du nicht sparsam sein sollen. Wenn du wollene Strümpfe gekauft hättest!«
»Die waren nicht zu haben. Dafür hätte ich das letzte Geld weggegeben. Doch die andern Sachen sind wahrlich noch nicht so notwendig! Du mußt doch etwas für dich behalten! Es ist so schwer, hier wieder Geld zu erlangen!«
»Wenn ich's für meine Kameraden verwende, trägt es mir die sichersten Zinsen, Boleslaw! Ich weiß, sie werden mich nicht verlassen in der Not, und der Mantel, den ich dem Soldaten heute kaufe, bedeckt mich selbst morgen, wenn die Nacht rauh ist und der treue Kamerad sieht, daß sein Führer dessen bedarf. Aber würde mich die volle Börse erwärmen?« – »Du gibst in deiner Großmut alles hin!« rief Boleslaw. »Doch wäre es gegen meine Ehre und mein Gewissen, wenn ich deine Güte so mißbrauchte. Auch wir andern Offiziere müssen ja einen kleinen Teil an dem haben, was für die Leute geschieht. Ich bringe dir nur zurück, was wir zu ergänzen für Pflicht hielten.« – »Also ihr, die ihr wenig habt, wollt euch opfern!«
»Nun erzähle uns von Jaromir«, unterbrach Bernhard, der eben wieder herantrat, das leise geführte Gespräch zwischen Rasinski und Boleslaw. – »Nachher; zuerst noch etwas Wichtiges. Die Friedensunterhandlungen sind abgebrochen.« – »Dacht ich's doch!« rief Rasinski lebhaft. – »Kutusow hat den König von Neapel plötzlich angegriffen und zurückgeschlagen. Der Kaiser erhielt die Nachricht gerade als er im Kreml die Truppen des Neyschen Korps besichtigte. Sofort rief er aus: «Also Krieg! Wohl denn, es sei!» Es folgte Befehl auf Befehl. Morgen abend bricht das Heer auf, nach Kaluga zu. Wir
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