1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
meinem Entschlusse!«
Rasinski versprach es; Jaromir gestand jetzt, wie er durch Françoise Alisette getäuscht, umstrickt, gefallen war. Ein dunkler Purpur der Scham rötete seine bleichen Wangen bei der Erzählung. »Armer Freund!« rief Rasinski. »So wurdest du das Opfer einer schlauen Buhlerin! Du hast gefehlt, schwer gefehlt; aber nicht unversöhnlich! Lodoiska wird dir vergeben, wie ich es tue. Ich will ihr schreiben.« – »Das sollst du nicht,« rief Jaromir heftig; »du hast mir gelobt, nach meinem Willen zu handeln. Meinen Brief sendest du ab; doch mußt du deine Hand dazu leihen, denn sonst weist sie ihn unerbrochen zurück.« – »Woher vermutest du das?« – »Weil ihre beleidigte Würde es nicht anders zuläßt. Ach, ich sagte dir noch nicht alles! Nach jener unseligen Stunde, wo ich in gleicher Verblendung des Schmerzes und des Glücks, von den dunkeln, noch unerkannten Furien gegeißelt, rastlos umherirrte, empfing ich den letzten Brief Lodoiskas. In ihm leuchtete der reine Glanz der Heiligen; doch mein Wahnsinn sah nur den blendenden, gleisnerischen Schimmer der Hölle. Ich antwortete auf der Stelle, hieß sie eine unwürdige Heuchlerin und zerriß unsern Bund. Mit eigener Hand gab ich den Brief noch spät am Abend, nachdem mich Ludwig verlassen hatte, auf die Feldpost. Glaubst du nun, daß Lodoiska nach diesem Briefe noch einen von mir öffnen werde?« – »Schrieb sie dir seitdem?« – »Ich erhielt keine Zeile; ich erwartete keine.«
Rasinski hatte in dieser ganzen Zeit gleichfalls keine Briefe erhalten; doch bei der Unpünktlichkeit der Feldposten erklärte sich dies dadurch, daß sie verspätet oder verloren gegangen sein dürften. Dennoch glaubte er jetzt, daß Lodoiska, zumal durch den edeln Stolz der Gräfin bewogen, eine solche Anklage mit schweigender Verachtung zurückgewiesen haben dürfte. »Ich werde,« antwortete er nach einigem Besinnen, »deinen Brief absenden; an meine Schwester werde ich ihn richten und ihr schreiben, daß dein Schicksal in Lodoiskas Großmut ruhe!«
»Nein, das sollst du nicht, das darfst du nicht, das ist wider dein Versprechen. Flehe ich ihre Engelsgüte an, so wird meine Reue Heuchelei, und ich verliere das letzte, einzige, was ich noch an mir achten darf: den Entschluß, die Kraft, zu büßen. Willst du nicht, daß ich in gerechter Selbstverachtung mein entwürdigtes Leben von mir werfe, so erfülle, was du versprachst. Du selbst mußt es aussprechen, daß unser Bund unwiderruflich zerrissen ist; weigerst du mir das, so – Nein, du tust es nicht! Ich müßte dann einen Weg gehen – mich schwindelt, daran zu denken – aber ich müßte!«
Rasinski schüttelte ernst das Haupt und seufzte. »Nun wohl denn, ich will tun, was du verlangst; du sollst den Brief an meine Schwester Johanna lesen; aber du wirst Lodoiskas Herz brechen!« – »Das habe ich längst getan!« rief Jaromir verzweiflungsvoll und legte die Rechte, seine Augen bedeckend, an die glühende, schwere Stirn.
Sie ritten nun stumm nebeneinander hin. Jetzt erreichten sie die Anhöhen. Heiliger Gott, welch ein Anblick! In drei breiten Strömen ergoß sich der ungeheuere Troß der Krieger und Wagen durch das Gefilde. Unversiegbar schienen sie aus den Trümmern Moskaus hervorzudringen; im blauen Duft und Nebel verloren sich ihre äußersten Spitzen am Horizont. Dabei war noch zur Rechten und Linken das Blachfeld weit mit zerstreuten Reitern und Fußgängern überdeckt, die den dichtern Hauptstrom umschwärmten.
Rasinski hielt auf der Höhe. Trotz des Umwegs war er doch rascher vorwärts gekommen als selbst der Kaiser; denn er erkannte an den zahlreichen weißen Federbüschen ihn und sein Gefolge noch weit unten am Hügel, mitten im Getümmel der Wagen. Auch Boleslaw sah er in der Ferne; er marschierte schon auf freiem Felde an der rechten Seite der Straße, wo man des ungebahnten Weges halber einzeln reiten mußte. »Wo soll das hinaus?« sprach Rasinski, als er den Zug überschaute. »Wie soll ein Heer mit solchem Troß sich bewegen? Mein Trost ist der, daß der erste Angriff der Kosaken uns mindestens von der Hälfte dieses lästigen Überflusses befreien wird. Wie die Habgier blind alles zusammengerafft hat! Wie sich der Geiz mit der unnützen Bürde belastet, unter der er erliegen muß!«
»Mich sollte es wundern, wenn der Kaiser nicht, sobald wir das freie Feld erreichen, den ganzen Troß verbrennen ließe«, sprach Jaromir, der mit teilnahmlosen Blicken das ganze Getümmel
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