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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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und neben uns. Beim Turmbau zu Babel hat man nicht in so vielen Sprachen geflucht als hier, und ein tausendjähriges Polizeiregister aller in London gestohlenen Sachen wäre ein Wisch, den der Wind wegweht, gegen das Inventarium dieses Zigeunerameublements. Ich glaube, es gibt keinen kupfernen Kessel, keine Bratpfanne, keinen alten Dreifuß, keine Feuerzange und keinen Besenstiel mehr in ganz Moskau, so viel Gerümpel ist auf diese Wagenburg geladen! Sieh nur,« wandte er sich zu Jaromir, um dessen finsteres Angesicht aufzuheitern, »sieh nur dort die Wagenreihe, bei der der Kaiser gleich ankommen wird. Ich glaube, es ist eine Amazonengesellschaft, denn ich sehe fast lauter Weiber dabei, und kostümiert sind sie, als wollten sie ein morgenländisches Prachtstück aufführen, etwa die Turandot.«
    »Es werden, deucht mir, die Schauspieler sein, welche in Moskau waren«, bemerkte Ludwig. Bei dem Worte Schauspieler fuhr Jaromir zusammen und warf einen hastigen Blick hinüber auf den Troß; ein wilder, kalter Grimm füllte seine Brust. Alisette konnte dabei sein! Er mußte es vermuten. Seit jener Schreckensnacht hatte er nichts wieder von ihr vernommen; Regnard hatte, es ist schwer zu sagen ob großmütigerweise, oder ob im Gefühl seines Unrechts, oder ob aus Mitleid mit Jaromir, den Vorfall nie wieder berührt, obgleich er zweimal ins Lazarett gekommen war, um kranke Offiziere seines Regiments zu besuchen, die daselbst lagen, wobei er natürlich auch Jaromir sehen mußte. Regnard war sonst in Ehrensachen mehr als pünktlich, doch die erschütternde Wendung, welche das Ereignis, worüber er sich anfänglich beleidigt fühlte, für Jaromir wie für Françoise Alisette genommen hatte, machte dies absichtliche Vergessen natürlich. Ob seine Verbindung mit dieser – denn er war es, der sie unterhielt und ihr Kommen nach Moskau veranlaßt hatte – noch fortdauerte, oder ob er die Treulose jetzt ihrem Schicksal überließ, wußte Jaromir nicht; ja nicht einmal, ob sie sich in jener Nacht gerettet habe, würde er erfahren haben, wenn nicht eine zufällige Erwähnung des Mädchens durch einen Offizier von Regnards Regiment ihm bewiesen hätte, daß sie noch lebe. Jetzt war sie vielleicht kaum hundert Schritte von ihm! Da die Straße sich trennte und Rasinski nur den günstigen Augenblick erwartete, um dieselbe zu gewinnen, konnte es sich fügen, daß er sie wieder von Angesicht zu Angesicht sehen mußte. Der Gedanke stürmte seine Brust wieder in wilde Wogen empor. Er fühlte, daß, wäre ihm die Verräterin unvermutet entgegengetreten, er seine Herrschaft über sich selbst verloren haben würde. Jetzt, durch Bernhards Wink aufmerksam gemacht, hatte er Zeit, sich vorzubereiten. Er beschloß, sie mit der kältesten Verachtung keines Blickes noch Wortes zu würdigen, wenn der Zufall ihn in ihre Nähe bringen sollte.
    Bernhard und Ludwig ritten dem düster Schweigenden zur Seite. Rasinski hatte ihnen und Boleslaw nur in einem flüchtigen Worte zugeraunt, daß er Jaromirs Geheimnis jetzt kenne. Er schien sich eine nähere Mitteilung für gelegenere Zeit zu versparen. Der Anteil der Freunde an dem Schicksal ihres treuen Genossen war ebenso warm geblieben als zuvor, da sie ihn keiner Schuld zeihen konnten, sondern nur das unbeschreiblichste Unglück für ihn fürchteten. Bernhard, dessen scharfem Blick selten eine physiognomische Andeutung entging, bemerkte die Veränderung in Jaromirs Zügen, als er der Schauspielertruppe gedachte, augenblicklich. Er hatte jedoch keine Ahnung davon, daß Alisette in Moskau sei, denn nach dem Brande hatte er im ganzen nicht zwei Tage dort zugebracht, weil das Regiment sogleich ein Biwak vor der Stadt bezog und fünf Tage später in die nördliche Vorpostenlinie rückte. Allein sein scharfer, zur Enthüllung von Intrigen besonders begabter Verstand gab ihm sogleich dunkle Vermutungen der Wahrheit. Doch verriet er dieselben nicht durch das mindeste Zeichen, sondern fuhr in seinen Bemerkungen über das Schauspiel um ihn her fort.
    »Was mag dort unten so glänzen?« fragte er plötzlich. »Ich glaube, es ist der goldene Zauberspiegel aus Tausendundeiner Nacht, der dort auf dem achtspännigen Wagen liegt, oder ein Bündel Blitze, oder eine Feuergarbe als Probe von dem Brande.« Auch Ludwig und Rasinski blickten dahin; denn in der Tat blitzte zwischen den schwarzen Gestalten, die den Zug unten bildeten, etwas wie eine strahlende Sonne hindurch. Doch hinderte die Menge der sich vorbeidrängenden Reiter

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