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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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vorgelegt.«
    »Ich glaube, wir bekommen Frost,« bemerkte Ludwig; »die Luft wird so klar.« – »Das wäre so übel nicht,« meinte Bernhard, »denn in dem zähen Kot marschiert sich's verteufelt schlecht.« – »Wünscht euch den Winter nicht herbei, er wird uns zeitig genug ereilen!« erwiderte Rasinski ernst. »Jetzt ist unser Marsch mühselig, aber doch zu ertragen. In Rußland bleibt der Winter nicht an den Grenzen des Herbstes oder Frühlings stehen, sondern herrscht bald in seiner Kraft und Strenge; darum hütet euch, ihn heraufzubeschwören.« – »Ich glaube, er kommt ohne uns,« meinte Bernhard, »denn der Wind bläst uns aus Nordost in den Nacken, was freilich besser ist als gestern, wo er uns den feuchten Staubregen ins Gesicht jagte; aber ich wittere so etwas wie Schnee in der Luft.«
    Unter diesen Gesprächen waren sie, von der Hauptstraße abbiegend, gegen den Bach im Tale heruntergekommen und durchritten ihn an einer seichten Stelle. Jenseit schlossen sie sich an die Artillerie an, welche, die Spitze des Zuges bildend, schon eine starke Strecke voraus war. Sie erreichten die Hochebene, auf der sich der Weg fortzieht. »Tausend, hier bläst der Wind schärfer,« rief Bernhard; »er dreht sich immer mehr nach Nordost.« Rasinski blickte mit seinem aufmerksamen Feldherrnauge über die Ebene hin. Sie bot fast gar keine Abwechslung dar, sondern dehnte sich in ungemessener Weite nach allen Seiten aus; kaum daß einige Hügel sich in leichter Krümmung über die reine Kreislinie des Horizonts erhoben. Nichts unterbrach das tote, trostlose Grau dieser Landschaft als die langen schwarzen Linien der Fichtenwälder, die sich am äußersten Rande der Fläche unter blauschwarzem Nebelgewölk entlang zogen. Selbst die unabsehbaren Reihen der Wagen und Kanonen und der sich geräuschvoll abarbeitenden Pferde und Artilleristen belebten die Öde nicht, sondern machten sie nur auffallender durch den Gegensatz. Die Sonne hatte einen Augenblick geleuchtet; doch schon bezog sich der Himmel wieder mit trübem Gewölke. »Heut scheint der Winter doch noch nicht Ernst zu machen,« sprach Ludwig nach einiger Zeit, »so rauh der Wind ist, und obgleich wir hier oben schon Spuren des Frostes sehen. Das reine Blau des Himmels ist schon fast ganz wieder verschwunden.« – »So, wieso? Durchs Paradies geht unser Marsch einmal nicht«, antwortete Bernhard.
    Man marschierte einige Stunden vorwärts fast ohne zu sprechen; denn teils riß der Faden der Unterhaltung in dem täglichen, fast ungetrennten Beisammensein doch bisweilen ab, teils boten die Ereignisse wie die Gegenstände ringsumher nur zu unerfreulichen Bemerkungen Gelegenheit dar, die jeder lieber im stillen machte. Einige Infanteriekolonnen hatten nach und nach die wegen der Erschöpfung der Pferde langsam vorrückende Kavallerie und Artillerie eingeholt; die Infanterie marschierte dagegen, um sich zu erwärmen, und weil der Marsch überhaupt beschleunigt wurde, rascher als gewöhnlich. Man sah seltsame Trachten unter diesen Leuten. Von der Strenge einer Uniformierung war nichts mehr zu entdecken; jeder schützte sich so gut er konnte gegen Wind und Wetter. Vielen war es anzusehen, daß sie schon anfingen, die Beschwerden des Marsches mit Mühe zu ertragen.
    Als Rasinski seinen aufmerksamen Blick über diese Leute hinlaufen ließ und aus ihrer Haltung Mutmaßungen für die Lage der Dinge im ganzen zu schöpfen suchte, bemerkte er einen Reiter darunter. Es schien ein höherer Offizier zu sein. Beide erkannten einander gleichzeitig; es war Regnard. »Aha, Rasinski, seid ihr's,« sprach er, indem er heranritt und ihm die Hand entgegenstreckte; »wie geht's euch?« – »Gut genug!« erwiderte dieser, der es sich zum Grundsatz gemacht hatte, immer den besten Mut zu zeigen, wo ihn seine Leute sehen oder hören konnten.
    »Ihr seid genügsam; mir ist's schon besser gegangen. Ich habe ein entzündetes Auge; seit dem Brande von Moskau plage ich mich damit, und diese feuchten Herbstnächte haben das Übel nur noch schlimmer gemacht.« – »Es wird keine Gefahr haben; dergleichen geht mit der Veranlassung vorüber.« – »Zuweilen, ja; ungefähr wie der Hunger; dauert die Veranlassung aber etwas zu lange, so kommt die Heilung zu spät. Es könnte leicht sein, daß es mir ebenso ginge. Ich frage den Teufel danach,« fuhr er nach einigen Augenblicken fort; »man sieht hier mit einem Auge schon zuviel.« – »Wieso?« – »Seid ihr nicht durch Mosaisk gekommen?« – »Nein!

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