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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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hatte, zu sehen. Es war ein halbverwester, halbnackter Leichnam; das von der Fäulnis und den Vögeln des Himmels in ein ekles Gemisch von Blut und Eiter verwandelte Antlitz starrte ihn gräßlich an. Ein unwillkürlicher Ausruf des Schreckens entfuhr ihm; sein Schauder mehrte sich, als er umherblickte und ganz nahe noch mehrere Leichen, schon halb Gerippe, in den tiefen Furchen des Ackers liegen sah. »Was gibt's?« fragte Bernhard, als er den Ruf hörte. – »Seht nur um euch!« rief Ludwig grausend. Alle waren in dem eintönigen Grau des Nebels hingeritten, ohne auf den Weg und Boden zu achten. Ein stärkerer Windstoß jagte in diesem Augenblick die Dünste etwas auseinander und verstattete einen Überblick von einigen hundert Schritten. »Wir sind hier auf dem Schlachtfelde!« rief Rasinski, und ein wunderbares Gemisch von Grauen, Ehrfurcht und mächtigen Erinnerungen ergriff ihn. – »Wahrhaftig! Ich hätte nicht geglaubt, daß wir schon so nahe wären«, stimmte Regnard ein und sah umher.
    Mit schauerlicher Spannung ließen alle ihre Blicke über das öde, grausenvoll schweigende Feld des Todes hinschweifen, das sieben Wochen zuvor noch von dem unermeßlichen Getümmel des Völkerkampfes und dem tausendfachen Donner der Feuerschlünde erscholl. Wie in der Dämmerung das Auge anfangs nur einige Sterne und dann mit jeder Sekunde mehr erblickte, so daß es sich bald in die Unermeßlichkeit vertieft, so vervielfältigten sich dem Blick hier auf entsetzliche Weise die Leichname und andere Zeichen der Zerstörung, die man rings entdeckte. Indem der Nebel, vom Winde über die Steppe gejagt, sich langsam hinwegwälzte, schien er gleichsam den Vorhang von dem schaudervollen Gemälde zu ziehen. Allen versetzte sich der Atem in der Brust, als sich das gräßliche Chaos allmählich vor ihren Blicken entwirrte. Zuerst hatte man nur die nächsten Leichname, an die der Huf des Rosses stieß, erblickt; doch wie der Blick weiterschweifte, stieg die Anzahl schnell ins Unendliche; denn man erkannte bald, daß jede schwärzliche Erhöhung, die das Auge entdeckte, nicht ein Stein, ein Baumstamm oder Erdhaufen, sondern ein menschlicher Körper oder eine zusammengeschichtete Masse derselben war. Mit jedem Schritte weiter in diese nur mit Leichen bevölkerte Wüste wurde das Bild der Zerstörung gräßlicher und erschütternder. Der Wind trieb einen giftigen Pesthauch heran, der sogar die Pferde so anwiderte, daß sie, scheu zurückbebend, dem Reiter nicht gehorchen wollten, und nur mit sträubenden Mähnen und emporgerichteten Nüstern, als suchten sie reinere Luft zu atmen, dem Sporn gehorchten und vorwärtsschritten. Jetzt sah man einzelne Erhöhungen, wie Hünengräber, wo große Leichenhaufen getürmt und so leicht mit Erde bedeckt waren, daß Sturm und Regen die Hülle schon fast weggespült hatten. Aus dem grausen Gemisch der übereinander geschichteten Leichname ragten einzelne, die Gebeine zur Hälfte mit verwesendem Fleisch bedeckt, zur andern Hälfte nackt und weiß schimmernd, in schauderhaften Stellungen hervor. Dem war das Haupt, mit struppig blutigem Haar bedeckt, auf den Boden gesunken, und die Schenkel ragten unnatürlich aufwärts; ein anderer streckte einen Arm hoch hinaus, als habe er noch Leben und suche sich aus dem modernden Grabe heraufzuarbeiten. Einzelne Glieder, von den Raubvö« geln und Wölfen halb abgenagt, lagen umhergestreut. Grinsende Schädel mit leeren Augenhöhlen oder wüst umherhängendem, blutigem Haar starrten entsetz» lich von dem Boden empor. Zwischen diesen grausenden Überresten waren die kriegerischen Denkzeichen der Schlacht zerstreut; ihr Anblick belebte die erstarrende Brust wenigstens durch die Erinnerung an den großartigen Kampf, der hier getobt hatte. Zerschmetterte Lafetten, Räder, Trommeln, rostende Kugeln, die Trümmer zersplitterter Gewehre und Säbel, glänzende Helme und Harnische der Dragoner waren rings durch das Blachfeld zerstreut; die Stellen, wo die Kavallerie und Artillerie gefochten hatte, erkannte man im Augenblicke; sie waren mit bleich schimmernden Pferdegerippen, die noch im verdorrten Fleische steckten, aber weiß hervorglänzten, wo die Raben und Füchse sie abgenagt hatten, weithin bedeckt. Die Nebel rollten in langen Streifen über das Feld und ent hüllten bald, bald ver hüllten sie das Gefilde des Entsetzens. Doch verzogen sie sich mit jeder Sekunde mehr und mehr, und bald konnte man die Blicke ungehindert so weit senden, als die grausenhaften Zeichen

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