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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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Gabe. Bald umfing ihn der Gott des Traums und wob die täuschenden Gebilde um seine Seele. Noch schimmerten die wüsten Bilder des Tages in dem geschlossenen Auge nach. Der in dämmernder Bewußtlosigkeit hinsinkende Geist vernahm noch die Nachklänge seines Wachens. Die Wirklichkeit verstärkte sie. So irrte Ludwig atemlos, erschöpft, mit gefesseltem Fuß, dessen bleierne Schwere er nicht zu besiegen vermochte, denn die Bande des Schlafes und des Liegens hemmten die Bewegung der Muskeln, durch tiefe Schneefelder. Der Sturm heulte um ihn, denn sein Ohr vernahm ihn im Schlaf, wie er über die Waldgipfel hinwegbrauste, und riß weit aufgähnende Klüfte in den wirbelnden Ozean grauer Wolken, der ihn umwallte. Wenn sich die Nebelwogen teilten, glaubte er fernes, sonniges Land schimmern zu sehen, nach dem er sehnsuchtsvoll die Arme ausstreckte. Wo bin ich? Allein in dieser Einöde! Ach, jetzt erkenne ich es, es ist ja der St. Bernhard mit seinen Schneefeldern, auf dem ich mich verirrte. Diesem hellen Schimmer muß ich nach, dort erreiche ich das schöne Land zu meinen Füßen. So flüsterte ihm die Stimme des Traumes zu, und der wohlwollende Gott lieh ihm seine sanften Flügel, um ihn in die schönen Fluren hinabzutragen. Jetzt wird mir leicht; mit dieser Wolke schwebe ich hernieder. Wie so oft im Traum hatte er natürlich als Liegender das Gefühl, von einer Höhe sanft herabzuschweben. Die Nebel- und Wolkengebilde teilten sich, der Schnee verschwand; Ludwig glaubte auf einer sanften, grünenden Matte zwischen dem Felsentale hinzuwandeln. O Dank, Dank, daß ich mich aus dieser Wildnis wieder auf den richtigen Pfad gefunden! Dort hinter mir liegt ja das Hospizium auf der Schneehöhe; ja, hier steige ich nach Aosta hinab. O,du Liebe, Holde, warum entfliehst du vor mir? Ich sehe ja deinen grünen Schleier flattern, ich habe dich ja längst erkannt! Bianka, Bianka! Warum wartest du nicht mein? Warum willst du, wie damals, weiter und immer weiter hinwegziehen? Da wandte sich die edle Gestalt der Geliebten um, und sie schlug den Schleier zurück und blickte ihn sanft lächelnd an. Ich bin dir ja so nahe! Dich peinigt ein Traum, daß du mich rufest. Siehst du nicht die reizende Landschaft um uns her? Ermuntere dich, setze dich zu mir auf diese Bank an der Hütte. Ja, mein Geliebter, hier wollen wir wohnen, hier ist es traulich und still. Sieh nur, wie die Rebe sich um das Fenster rankt, und die breite Kastanie, die ihre Äste weit über das Dach hinstreckt!
    Wie Frühlingshauch trafen ihn diese Worte und eine süße selige Wehmut drang in sein Herz. Bianka! Ist es denn kein Traum? Bin ich endlich mit dir vereinigt? rief er bang und hob die Arme der Geliebten entgegen. Sie neigte sich holdselig zu ihm, er zog sie näher und drückte sie bebend an seine klopfende Brust. Sie saßen nebeneinander auf dem Rasen, gegen den Stamm der alten Kastanie gelehnt. Ludwig hatte den Arm sanft um den Nacken der Holdseligen gelegt, und sie senkte das Haupt auf seine Schulter; ihre Hände ruhten spielend ineinander. O, so werden die wunderbaren Träume doch endlich wahr! So sind wir endlich vereinigt und nichts mehr trennt uns wieder. Nein, laß mich nicht los, wenn die kalte Wolke dort vom Gebirge herabkommt und uns verhüllt. Wenn ich dich nicht sehe, mußt du dich inniger an meine Brust schmiegen. Zitterst du vor dem rauhen Sturm? Er wird die Lawine auf uns herabstürzen! Sieh nur, schon stäubt die Schneehaube dort auf dem Felsen hoch auf! Weiter abwärts laß uns flüchten!
    Der Traum riß den Schlummernden in neue verworrene Vorstellungen hinein. Durch den Sturm und den wirbelnden Schnee, der sein Angesicht wirklich traf, wurde er aus den holden Bildern, die seine Sehnsucht geschaffen, rauh aufgeschreckt. Er glaubte mit Bianka zu flüchten! Wohin sie sich wandten, stürzten die Lawinen. Die Erinnerungen jener ersten Nacht auf dem Simplon stiegen in seltsam ineinander verrinnenden Bildern vor seiner Seele auf. Er glaubte tief verschüttet zu sein; um so inniger, angstvoller drückte er die zitternde Geliebte an seine Brust. Er tröstete sie. Sei nicht bang. Holde! Weißt du, als wir damals, in jener ersten Nacht in der dunkeln Höhle der Erlösung harrten? Ach, wie sehnte sich da mein Herz nach deiner Umarmung! Liebtest du mich denn auch damals schon? Seit dem Augenblicke, wo ich dich zum ersten Male sah, antwortete sie mit unaussprechlich süßer Stimme, als du mir das goldene Band brachtest, weißt du noch? Es war ja an der Hütte im

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