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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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gereinigt und ein Feuer angezündet. Lange dauerte es, bis die Flamme hell aufschlug, denn das Holz war jung und feucht; doch nach einer Stunde war auch dieses Übel überwunden, und da durch Rasinskis Vorsorge noch einige Lebensmittel vorhanden waren die er sparsam, aber gerecht verteilen ließ, so fand der erschöpfte Körper auch bald einige Erquickung. Offiziere und Leute lagerten sich rings im dichtgeschlossenen Kreise um die Flamme, einander mit den Bruderarmen umfassend und erwärmend. So ruhte Ludwig an Bernhards Brust und Rasinski lehnte sein Haupt auf dessen Schulter; Jaromir und Boleslaw auf seiner andern Seite hielten sich eng umschlungen. Die Liebe trotzte dem rauhen Sturm und Schnee der Winternacht und trug ihr heiliges Leben in die Erstarrung ringsumher. Ludwig war aufs äußerste erschöpft; nur der Gedanke an seine einsame Schwester, an ihre Trostlosigkeit, wenn er unterliegen sollte, hatte seinem schwächer gebildeten Körper Mut gegeben, die ungeheuere Anstrengung zu ertragen, unter der er oft zu erliegen glaubte und vielleicht erlegen wäre, wenn Bernhard mit seinem stärkern Körper und rüstigern Sinn ihm nicht treu zur Seite geblieben wäre. Doch wenn diese Qualen sich wiederholten, was dann? Mit einem innern Schauer wandte er sich von diesen Vorstellungen zurück, Sein Leben schien ihm verschlungen in den Schauern düsterer Nacht; doch da schwebte aus dem schwarzen Hintergründe der Finsternis, in die sein Auge sich verlor, ihm das heilige Bild seiner Liebe entgegen. Wie ein sanfter Mondstrahl fiel es in das Dunkel seiner Seele und trat dieser um so näher, tröstender und holdseliger entgegen, je ferner es die Wirklichkeit entführt hatte. So füllen teuere Hoffnungen uns am sehnsüchtigsten das Herz, je ferner die Erfüllung uns steht, und aus dem tiefsten Abgrunde des Unglücks richtet sich der Blick mit dem gläubigsten Vertrauen, mit der heißesten Inbrunst zu der ewigen Huld empor. Ja, sie wird dein Schutzengel sein, dachte er in ermutigter Kraft, sie wird dich, eine Heilige, tröstend, rettend umschweben. Wandte sie nicht schon einmal das Verderben von deinem Haupt? O gewiß, gewiß ist sie mir nahe! Er gab sich dieser träumerischen Hoffnung mit süßer Sehnsucht hin. Sollten sich unsere Geschicke nur deshalb so rätselhaft verschlungen und berührt haben, daß sie ewig unaufgelöst blieben? Nein, das kann der Allmächtige nicht wollen. Er führt uns seine dunkeln Irrwege nicht, um uns inmitten der labyrinthischen Bahn zu verlassen, sondern um uns zu dem wunderbaren Ziele feiner Gnade und Wahrheit zu leiten. Nicht das kalte Gesetz der Natur ist so roh, daß es seine Tausende von Keimen und Trieben nur deshalb entwickelte, um sie im Emporblühen zu zerstören; wie sollte das ewige, heilige Gesetz der Schickung sich selbst so grausam verhöhnen! Nein, der Tag wird kommen, der alles löst; die Stunde muß erscheinen, wo ihre holde Gestalt dir entgegentritt und dir die Hand reicht und süß tönend spricht: Die Prüfungen sind überwunden, jetzt winkt dir der Lohn!
    Aber wie, wenn es erst jenseits wäre? Und weshalb denn nicht? Wenn hinter jener unabsehbaren Nacht, die uns umhüllt, der ewige reine Tag glänzt, wenn über dem undurchdringlichen finstern Gewölbe des Himmels, das starr über uns steht, klare heitere Sterne leuchten, Tausende von Sonnen wandeln – wie sollte denn nur die Nacht unserer Seele ungelichtet bleiben? Mut, Vertrauen, fester Glaube! Und doch, wie mächtig hält mich dieses heilige Leben der Erde, das ich warm, körperlich, selbstbewußt empfinde! Allgütiger Vater! O sende deinen Segen schon jetzt auf die irdische Brust herab, löse die Rätsel hier, die du hier geknüpft! Laß dieses Herz nicht in ungestillter Sehnsucht brechen! Warum sollten wir das namenlose Glück mit namenlosem Schmerz erkaufen? Ich dulde als ein Wanderer dieser Erde, laß mich auch so Ruhe und Labung finden! Für die Wunder des Jenseits ist meine Brust zu eng. Gib mir, was ich zu fassen vermag. O, du bist ja so reich an Seligkeit, daß du uns hier das überfüllte Maß reichen kannst und jenseits doch noch ein unbegrenztes Meer der Verklärung vor uns ausbreitest! Du gabst mir dieses Leben, gabst mich ihm; Vater, ist es denn eine Schuld meines Herzens, wenn ich mit heißer Inbrunst an seinen reinsten Wonnen hange?
    In diesen Gedanken überschlich ihn der mehr betäubende als erquickende Schlaf. Doch die übermüdete Natur haschte mit Begier nach der kärglich und verkümmert zugemessenen

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