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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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erkennen. Es war Graf Dolgorow. »O mein Vater!« rief Bianka mit leidenschaftlichem Tone, »sehen Sie hier unsern Retter!« – »Wie? Wo?« fragte der Graf und warf forschende Blicke auf Ludwig. Doch plötzlich unterbrach er sein Erstaunen durch den Ausruf: »Du hier? Elender Bube!« Und mit einem Sprunge war er vom Pferde herab und drang in die Reihen der Gefangenen ein, um Beaucaire, dem vor Frost und Entsetzen die Knie schlotterten, aus ihrer Mitte herauszuziehen. Dolgorow, dem die Rache schneller entflammte als die Dankbarkeit, vergaß diese, um jener zu genügen. In England und Italien, wo er sich in wichtigen, aber gefährlichen diplomatischen Aufträgen befand, war Beaucaire sein Sekretär und geheimer Agent gewesen. Als der Krieg des Jahres 1812 ausbrach und Napoleon die englischen und russischen Agenten in allen Ländern auf das eifrigste aufspüren ließ, war auch Dolgorows Verkehren entdeckt worden. Er mußte aus Rom eifrigst und in einer Verkappung flüchten. Beaucaire erhielt einen Paß als deutscher Graf Wallersheim. Feodorowna galt unter dem Namen Bianka für seine Schwester. Dolgorow selbst wurde für einen alten Diener, seine Gemahlin für die Erzieherin der jungen Gräfin ausgegeben. So traten sie die Reise an. In Mailand glaubte Beaucaire, der eine rohe Leidenschaft für des Grafen Tochter gefaßt hatte, von den dringenden Umständen alles ertrotzen zu können. Er wagte Anträge, die Feodorowna mit Empörung zurückwies und die die Wut ihres Vaters entflammten, obgleich die äußerste Gefahr in seinem Zorne lag. Er mißhandelte den Buben und stieß ihn mit Schimpf von sich; dieser eilte, ihn zu verraten. Doch schon hatte der Graf es möglich gemacht, aufs eiligste zu fliehen, und änderte seine Reiseroute, indem er, statt über Verona nach Innsbruck und München, die Straße über den Simplon einschlug. Dort traf ihn Ludwig. Retter und Verräter waren nunmehr zugleich in seine Hand gefallen, und dieser sollte jetzo seinen Lohn empfangen.
    »Heiliger Gott! Welche Schickung!« rief Feodorowna aus, als ihr Auge auf den Elenden fiel, den Dolgorow trotz seines Sträubens aus der zitternden Menge herumriß. Beaucaire wurde jetzt auch ihrer ansichtig, und mit verzweifelter Anstrengung riß er sich los und stürzte zu ihren Füßen nieder. Krampfhaft umklammerte er ihre Knie und rief: »Erbarmen, Gräfin! Bittet um Gnade für mich! Nur meine rasende Liebe zu euch war mein Verderben!« Bianka zitterte und erhob angstvoll flehende Blicke zu ihrem Vater. Doch dieser rief mit ehernem Grimme: »Ergreift ihn und werft ihn dort in die Flammen, damit jeder Russe sehe, wie ein Verräter gestraft wird.«
    Bianka wurde zu einem Marmorbilde. Beaucaire schrie laut auf und klammerte sich in der Angst der Verzweiflung an ihre Knie an, indem er sein Haupt in ihrem Schoße zu verbergen suchte. Sie wäre niedergestürzt, wenn nicht Ludwig, ihr rasch zu Hilfe springend, sie gehalten hätte. »Vollzieht meinen Befehl!« rief Dolgorow nochmals. »Reißt ihn von der Fürstin hinweg!« Auf diesen Ruf packten zwei aus der Masse mit wilder Freude hervorspringende Männer den Verzweifelnden bei den Haaren; zwei andere ergriffen ihn bei den Füßen, ein Kosak riß sein Messer aus dem Gürtel und schnitt ihn über die beiden Hände, mit denen er Biankas Knie umschlossen hielt. Erst als die Sehnen zerrissen waren, sanken ihm die Arme zurück. Unter gräßlich jubelndem Gebrüll der wutentflammten Menge wurde er halb hinweggetragen, halb geschleift. Sein zerreißendes Jammergeschrei drang mitten durch das Toben der mordlustigen Schar hindurch, die, von wilder Begierde auf das gräßliche Schauspiel gestachelt, in schwarzen Massen nachstürzte. »Bewacht die übrigen Gefangenen!« rief Dolgorow und ging raschen Schritts, die Menge, die ihm ehrfurchtsvoll auswich, teilend, dem Ort zu, wo sein furchtbarer Befehl vollstreckt werden sollte.
    Bianka hatte sich gegen Ludwigs Schulter gelehnt. Grauen und Seligkeit erfüllten sein Herz zugleich. Jetzt teilte verdoppeltes Wutgebrüll die Lüfte. Wider Willen zog es sein Auge zu der fürchterlichen Stelle hin. Beaucaire wurde hoch emporgehoben; sein Antlitz mit dem zerrauften Haar verzerrte sich wie in den Qualen der Verdammnis. Er zuckte mit den blutigen Stumpfen seiner Hände wild umher. Da stürzten ihn die Wütenden häuptlings in die Glut hinein; ein gräßliches Geschrei, das weit im Walde widerhallte, stieg empor. Es drang selbst in Biankas Betäubung mit entsetzlicher Gewalt ein; sie

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