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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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Nachricht zu geben. Allen verging die Nacht in unruhiger Spannung, die kaum einen oft unterbrochenen Halbschlummer zuließ.

Zehntes Kapitel.
    Die Gräfin Dolgorow hatte die Verhältnisse Biankas zu den Gästen des Hauses vielmehr gemutmaßt als gekannt. Durch einen Zufall war Jeannette die Verräterin gewesen; denn diese war es, welche sich, gleich nach dem Augenblick, wo Bianka ihren Bruder zuerst erkannte, dem Gastzimmer näherte. Sie hörte laut und heftig sprechen und vernahm die Worte: Bruder, Schwester; erstaunt stand sie still und lauschte unwillkürlich, wenigstens arglos. Da näherten sich Willhofen und einige Diener, und der Schall ihrer Schritte auf dem Korridor wurde von Ludwig vernommen, der die leisern des Mädchens überhört hatte. Die Annäherung derselben unterbrach die ersten süßen Vertraulichkeiten der Geschwister; doch mußte Jeannette beim Eintreten bemerken, daß etwas Ungewöhnliches vorgefallen sei. Der Kammerdiener des Grafen, Jacques, war ihr Liebhaber; sie hatte also nichts Eiligeres zu tun, als diesem gewandten Menschen ihre Vermutung mitzuteilen, wobei sie freilich nicht ahnte, daß sie das Glück ihrer geliebten Gebieterin so gefährdete. Doch Jacques hatte einen scharfen Blick für dergleichen Verhältnisse. »Höre, Jeannette,« sprach er zu dieser, »wenn die Fürstin davon nichts äußert, so tue ja, als ahntest oder wüßtest du nichts. Für Diener ist nichts gefährlicher, als die Geheimnisse der Herrschaften wider den Willen derselben zu erfahren. Wenn es auch anfangs vorteilhaft zu sein scheint, späterhin bekommt es uns immer sehr übel. Man wird bisweilen auf ganz eigene Art zum Schweigen gebracht.« Das eingeschüchterte Mädchen erschrak vor dieser Warnung so, daß sie in der Tat nicht das mindeste gegen ihre Gebieterin äußerte; aber, so ehrlich war sie, auch gegen niemand sonst. Jacques dagegen legte sich aufs Lauschen und stellte dies so geschickt an, daß er, bevor eine Stunde verging, wenigstens so viel wußte, daß Bianka ihr Geheimnis vor der Gräfin verberge. Jetzt hielt er die Verhältnisse für geeignet, sie zu seinem Vorteil benutzen zu können. Er ging zur Gräfin und entdeckte dieser, anfangs nur andeutend, doch da der hingeworfene Funke mit einer über alle Erwartung gehenden Schnelligkeit zur Flamme aufschlug, im ganzen Umfange alles, was er wußte. Sie versprach ihm eine reiche Belohnung, wenn er gegen jeden schweigen und nur ihre Befehle in dieser Sache erfüllen wolle. Jacques, habsüchtig, schlau, unternehmend, ging auf alles ein, ohne jedoch Jeannetten, deren Ergebenheit gegen ihre Gebieterin er kannte, ein Wort davon zu sagen. So reiste er denn noch in derselben Nacht mit Briefen der Gräfin zu dem Gemahl derselben ab und war auch jetzt mit ihm zurückgekehrt. Die Nachricht mußte dem Grafen von der beunruhigendsten Wichtigkeit sein, und er hatte daher sogar den Eifer gegen die Feinde seines Vaterlandes für den Augenblick hintangesetzt, um seine eigenen Angelegenheiten wahrzunehmen.
    Er fand die Gräfin, deren ganze Krankheit wohl nur in zu großen körperlichen Anstrengungen bestanden hatte, noch in den Kleidern; die geistige Aufregung, in der sie sich seit gestern befand, hatte ihr ihre vollen Kräfte wiedergegeben. »Nun, was sagen Sie zu meiner Entdeckung?« redete sie ihn an, als sie sich mit ihm allein befand; »was beschließen Sie zu tun?« – »Vor allen Dingen,« erwiderte Dolgorow, »muß ich wissen, wieweit Sie deren gewiß sind, und wieweit Feodorowna um Ihr Wissen weiß.«
    Die Gräfin erzählte und vergaß auch die Vorsichtsmaßregeln nicht, die sie den Tag über getroffen hatte, um eine Zusammenkunft der Geschwister! zu hindern. Dolgorow ging während der ganzen Erzählung mit untergeschlagenen Armen, finster vor sich hinblickend, auf und nieder und schüttelte mehrmals mißbilligend das Haupt. »Und wer von beiden Fremden soll denn nun der Bruder sein?« fragte er, als die Gräfin geendet hatte.
    Mit einer Art von Beschämung gestand die Gräfin, daß sie dies nicht wisse. Sie hatte ohne weiteres angenommen, es sei Ludwig, etwas, wozu die so mißfällig von ihr bemerkte Hinneigung Biankas zu ihm sie ziemlich natürlich verleitet hatte. Erst jetzt, da der Graf ihr die Frage auch mit Beziehung auf Bernhard vorlegte, sah sie ein, daß sie gar keinen bestimmten Grund für ihre Vermutung habe. »Wenn Sie nur die unglückselige Maßregel mit der halben Gefangenhaltung nicht getroffen hätten!« sprach Dolgorow mit kaum unterdrücktem

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