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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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Frühstück kommen wollten. Sie gingen. Einige Minuten blieben sie allein im Saale; hierauf trat Dolgorow ein. Er war so höflich wie zuvor, lud ein Platz zu nehmen und servierte selbst die Schokolade. »Unsere Damen,« sprach er, »stehen etwas spät auf. Wir werden sie wohl vor Tische nicht zu sehen bekommen. Die Gräfin war gestern unwohl, das hat auch die Fürstin um das Vergnügen gebracht, die Pflichten der Wirtin gegen Sie zu üben. Ich denke, die Frauen werden heute das Versäumte nachholen.«
    Bernhard fragte nach dem Stande der politischen Angelegenheiten. »Darüber sprechen wir am besten gar nicht,« entgegnete der Graf höflich; »ich als Russe würde vielleicht ganz anders denken müssen als Sie, die Sie wenigstens Ihre alten Waffengenossen beim Heere haben. Es hat ein besonderes Interesse für mich,« fuhr er nach einigen Augenblicken fort, »daß ich Ihnen beiden schon anderwärts begegnet bin. Als wir am Fuß des Simplon, über den wir,« hier wandte er sich zu Ludwig, »durch Ihre Hilfe so glücklich gelangten, durch den Zufall getrennt wurden, wandte ich mich durch das Gebirge nach Bern, ging von dort aus nach Tirol und gewann die große Straße nach München. In Deutschland erlebten wir kein Abenteuer weiter, wohl aber in Warschau, wo wir fast verraten worden wären und es uns nur nach einem mehrtägigen Versteck bei verschiedenen Freunden gelang, in der Nacht zu entfliehen.«
    »Auch wir waren in Warschau«, sprach Ludwig. Bernhard gab ihm einen verstohlenen Wink, vorsichtig zu sein, und nahm rasch selbst das Wort, um ganz allgemein und unbestimmt über ihren Aufenthalt dort zu sprechen. Der Graf fragte nach diesem und jenem; er sprach von England, erkundigte sich nach Bernhards Reisen, nach seinem frühern Wohnort, kurz, suchte auf geschickte Weise die Lebensverhältnisse beider so genau als möglich zu erforschen. Zwar antwortete Bernhard mit größter Vorsicht, doch ließ sich nicht alles verschweigen, und namentlich waren Ludwigs Verhältnisse sehr bald so weit klar für Dolgorow, daß er nicht mehr zweifeln konnte, Bernhard sei der Bruder Feodorownas, wenn es einer dieser beiden war. Mit Aufmerksamkeit beobachtete er die Gesichtszüge desselben, um aus der Ähnlichkeit seine Vermutungen zu bestätigen; allein hier war ihm der Zufall entgegen, da Bernhard fast durchaus seinem Vater, Bianka ihrer Mutter glich, zwischen beiden aber eher eine auffallende Verschiedenheit der Physiognomie als eine Ähnlichkeit stattfand, wenngleich sich einige übereinstimmende Züge allenfalls auffinden ließen. Wollte man aber danach suchen, so bot Ludwigs Angesicht ungleich mehr Wahrscheinlichkeit für die Verwandtschaft dar. Bernhard hatte überdies mit Geschicklichkeit hinzuwerfen gewußt, daß er aus Dresden gebürtig und der Sohn eines armen Kantors an der Kreuzkirche sei, der ihm, drückte er sich scherzend aus, als er vor drei Jahren verstarb, durch seinen letzten Willen nichts hinterlassen habe als den freien , zu gehen wohin er möge.
    So blieb Dolgorow allerdings in peinlicher Ungewißheit, ob sein Geheimnis in der Tat entdeckt sei, oder ob nur zufällige Umstände, halbverstandene Worte oder Äußerungen den Schein einer Entdeckung gegeben hätten. Um nicht durch allzu vielfältiges, ängstliches Fragen Verdacht zu erregen, schlug er den Gästen eine Partie Schach vor. Ludwig, der das Spiel nur sehr wenig kannte, entschuldigte sich; Bernhard nahm den Vorschlag anscheinend sehr gern an. Der Kammerdiener brachte ein Schachbrett, sie setzten sich zum Spiel; Ludwig blieb im Zimmer und machte den Zuschauer.
    »Ich habe einen gefährlichen Gegner,« bemerkte der Graf nach den ersten Zügen; »es wird mir Mühe machen, mich zu verteidigen.« – »Ihr Urteil nach so wenigen Zügen, Herr Graf, beweist Ihre Überlegenheit«, antwortete Bernhard höflich. Sie spielten indessen fort und schienen, obwohl beide ihre Gedanken innerlich auf etwas ganz anderes gerichtet hatten, doch mit dem größten Anteil bei dem Spiel zu sein. Bernhard besaß Kraft des Geistes genug, um sich zur Aufmerksamkeit zu zwingen und nicht durch Zerstreutheit zu verraten, daß ihm der Sieg im Spiele in diesem Augenblicke das Gleichgültigste auf der Erde sei.
    So vergingen die Vormittagsstunden, die Tafelzeit kam heran. Die Gräfin sowie Bianka sollten bei Tisch erscheinen. Als der Graf am Morgen bei der Tochter gewesen war, hatte er davon als von einer nicht abzuweisenden häuslichen Pflicht gesprochen, die gestern nur durch die

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