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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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Unwillen. »Ich begreife nicht, was sie Ihnen helfen konnte. Es war nichts als ein Überrest von den Gewohnheiten Ihrer mütterlichen Strenge und Willkür, die jedoch seit Feodorownas Vermählung in keinem Fall mehr an ihrem Platze sind. Wie nahm sie den Schritt auf?« – »Sie äußerte sich gar nicht darüber«, erwiderte die Gräfin betreten. – »So haben wir vielleicht die Hoffnung, daß sie denselben nicht gewahr geworden ist!« fiel der Graf rasch und freudig ein. Die Gräfin wußte das Gegenteil zwar sehr gut, da sie es aus dem Umstände entnehmen konnte, daß ihr Zimmer der Durchgang für Jeannetten geworden war; doch bestätigte sie Dolgorows Vermutung, um seinen fernern nicht eben fein gemachten Verweisen zu entgehen.
    »Das rettet uns,« sprach er beruhigter; »und sollte die Fürstin ja etwas bemerkt haben, so muß das Ganze als ein Versehen dargestellt werden, welches man dem Kammerdiener zuschreiben kann. Für heute werden wir also nichts mehr unternehmen, morgen will ich selbst sehen und beobachten. Um des Himmels willen keinen auffallenden Schritt in dieser Sache, bis wir ihn gar nicht mehr vermeiden können, oder wenigstens genau wissen, wieweit unser Geheimnis verraten ist. Auch daß dieser Jacques etwas davon erfahren mußte, ist höchst verdrießlich. Zwar ist ihm die Wahrheit völlig unbekannt und, soweit ich bemerken kann, zweifelt er nicht daran, daß Feodorowna unsere Tochter sei, hält aber den unvermutet zurückgekehrten Bruder für einen Sohn, den wir, wer weiß aus welchen guten Gründen entfernt haben mögen. Ja, ich glaube, er hatte es eigentlich im Sinne, Ihre Eifersucht durch die Entdeckung rege zu machen. Indessen gleichviel; sehr unangenehm bleibt es für uns, daß ein so fremder, unzuverlässiger Mensch überhaupt nur von einem Verhältnis der Art eine Ahnung hat. »Vielleicht,« begann Dolgorow nach einigen Augenblicken, während welcher er schweigend und nachsinnend auf und ab gegangen war; »vielleicht war das Ganze nur ein blinder Lärm. Wer sagt uns denn, daß Jacques recht gehört hat? Jedoch umso vorsichtiger müssen wir verfahren; denn man kann ja auch nicht wissen, ob Feodorowna und ihr mutmaßlicher Bruder sich nicht schon seit längerer Zeit verstehen und Sorge getragen haben, ihre Beweise an Orten niederzulegen, die uns unzugänglich sind. Wir könnten in diesem Falle in die bedenklichste Lage geraten. Ja, ich bin entschlossen! Ich werde das ganze Verhältnis morgen nicht kennen. Zwar kam ich mit dem Entschluß, hier sogleich die entschiedensten und unwiderruflichsten Schritte einzuleiten, und ich denke, Gräfin, Sie kennen mich genug, um zu wissen, daß ich vor der Notwendigkeit nicht wie ein Knabe bebe. Noch sind wir nicht so ängstlich und weichherzig in Rußland; ich weiß so gut wie andere in diesem Reiche, daß man einen Felsblock, der uns auf unserer Straße im Wege liegt, sprengen muß. Doch ohne Übereilung! Vielleicht gelingt es mir, einen bessern und sicherern Weg, der daran vorüberführt, zu nehmen. Gute Nacht! Ich werde ruhiger schlafen, als ich glaubte. Noch eins, damit wir uns nicht widersprechen. Meine Ankunft hier war zufällig, hören Sie, Gräfin, zufällig! Übrigens werde ich morgen der erste sein, der Feodorownen begrüßt und sich über die verschlossene Tür wundert.«
    Mit diesen Worten nahm er Abschied und ging mit Jacques, der ihn im Vorsaal erwartete, auf sein Zimmer. Doch ließ ihn die Unruhe seines Gemüts nicht schlafen; das lange schlummernde Bewußtsein war mächtig erwacht. Mochte jetzt Täuschung oder Wahrheit im Spiele sein, er lernte, daß der Same der Schuld, möge er noch so tief vergraben, noch so weit vom Sturm der Zeit verweht sein, doch fort und fort keimt, bis seine bittern Früchte reifen. »Tor,« redete er sich selbst an, »was machst du dir für Sorgen? Deine Zwecke sind erreicht, du bist im Besitz, wer will dich vertreiben? – Hm! Wenn aber die Ochalskois erführen, daß eine Täuschung obgewaltet habe? Nur als Vater Feodorownens sind deine Rechte gültig! – Doch wer will sie dir bestreiten? Der einzigen, die reden könnte, ist die Lippe versiegelt. Ruschka schläft. Schreckbilder des leeren Wahns! Hirngespinste!« Dennoch folterten sie ihn, bis der Morgen anbrach.
    Indessen waren seine Pläne gereift, und er besaß Gewandtheit und Kraft, sie auszuführen. Sein erster Gang war zu Bernhard und Ludwig hinüber, die er als Gäste des Hauses willkommen hieß. Mit der Übung des Hofmanns spielte er den zuvorkommenden

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