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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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Bernhard dem aufs äußerste betroffenen Ludwig zu; »es darf hier keine Seele ahnen, daß wir uns beunruhigen.« Mit diesen Worten schenkte er sich ein Glas Wein ein und stieß mit Ludwig auf die Bewohnerinnen des Hauses an. Während der ganzen Tafelzeit war er heiter und scherzte viel, sogar mit den Dienern, denen er einige russische Worte abfragte und sich dann in ihrer Mundart mit ihnen zu verständigen suchte.
    Es war dunkel geworden und man brachte Licht.. Bernhard fing, um das Gespräch nicht stocken zu lassen, von Schottland zu erzählen an. Ludwig hörte zerstreut zu; seine Besorgnisse wuchsen mit jedem Augenblicke. Es war jetzt sieben Uhr; die gewöhnliche Höflichkeit gegen Gäste hätte es gefordert, daß die Wirtin des Hauses sie begrüßt hätte. Bianka mußte durch die dringendsten Gründe abgehalten sein. Teils um sich zu zerstreuen, teils um ihre Unruhe zu verbergen, hatte sich jeder aus einem Schrank mit französischen Büchern einen Band des Voltaire genommen; sie setzten sich an einen andern Tisch und lasen. Die Diener räumten indessen die Tafel ab und verließen das Zimmer.
    Doch kaum waren sie einige Augenblicke allein gewesen, als Willhofen eintrat, sich vorsichtig umsah, ob jemand in der Nähe sei, und dann Bernhard einen Zettel zusteckte. Auf diesem las er mit Bleistift in englischer Sprache die Worte: »Bruder, wenn alles schläft, komm unter das Fenster meines Schlafzimmers.« – »Weißt du, was der Zettel enthält?« fragte er Willhofen, nachdem er gelesen. – »Ich vermute ungefähr, die Jungfer der Fürstin, Jeannette, hat ihn mir gegeben.«
    Bernhard ging unruhig auf und ab. »Kennst du die Lage des Schlafgemachs der Fürstin, Willhofen?« fragte er diesen. Er bejahte es. »Wenn alles im Schlosse schläft, soll ich mich unter ihrem Fenster einfinden; kannst du mich mit Sicherheit dahin führen?« – »Eine Kleinigkeit; ich will schon sorgen, daß es dem Torwächter schwerer werden soll die Augen aufzuriegeln als das alte verrostete Tor.« – »Wann geht man hier schlafen?« – »Vor Mitternacht: um zwölf Uhr sind wir sicher, außer den Mäusen auf dem Kornboden kein lebendiges Wesen mehr im Schlosse zu treffen.« – »So komm um diese Stunde zu uns auf unser Schlafzimmer, Freund; du mußt mir den wichtigen Dienst schon leisten.« Willhofen ging.
    Bernhard und Ludwig begaben sich auf ihr Gemach und harrten in unruhiger Spannung der Mitternacht entgegen. Die Stunden schlichen ihnen träge dahin. Ängstlich lauschten sie auf jeden Laut im Schlosse, ob das Geräusch geöffneter oder zugeworfener Türen, der Schritt der Diener auf den Gängen, das einzelne Zurufen und Antworten nicht endlich ein Ende nehmen werde. Oft war es minutenlang ganz ruhig; dann unterbrach plötzlich wieder der Klang eines einspringenden Schlosses, oder der schwere, ungeschickte, weit durch die langen Korridore hallende Schritt eines Dieners die tiefe Stille. Endlich, nach elf Uhr, schien alles in Schlaf versenkt zu sein.
    »Eine Grabesstille im Schlosse«, sprach Bernhard, indem er leise die Tür öffnete und auf den Gang hinaushorchte. »Mitternacht ist nahe! Ich wollte, Willhofen käme, damit die Ungewißheit ein Ende nähme.« Ludwig war von düstern Ahnungen und Besorgnissen gequält; doch äußerte er nichts, um Bernhards sichtliche Unruhe nicht zu erhöhen. »Wie der Wind durch den Schlot pfeift! Es mag wieder eine herrliche Nacht draußen sein! Mir deucht auch, es sei kälter geworden. Unsere Fenster gefrieren wieder trotz des glühenden Ofens. Aber horch, rauscht da nicht etwas auf dem Gange? Wahrhaftig, es schleicht knisternd näher. Vermutlich wird es Willhofen sein; der Alte ist ein Fuchs; er kommt leise auf den Zehen, und ich glaube ohne Schuhe.« Er lauschte; es kam behutsam näher und näher. Bernhard öffnete die Tür ein wenig und fragte durch die Spalte hinaus: »Bist du's, Freund?«
    »Ich bin es«, antwortete flüsternd eine weibliche Stimme; zugleich öffnete die Kommende die Tür, und das Kammermädchen der Fürstin trat in ihrer zierlichen Diensttracht, ein kleines Häubchen auf, aber die Wangen mit einem Tuch verbunden, ein. Beide Freunde erstaunten. Bernhard vermutete ein Liebesmißverständnis und sprach ziemlich unwillig: »Du bist irregegangen, mein Kind.« – »Nein, ich verfehlte die richtige Tür nicht«, antwortete das Mädchen mit bekannter Stimme, indem sie zugleich das Tuch herunternahm, welches ihr das Gesicht halb verdeckte. Es war Bianka.
    »Schwester, du selbst, in

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