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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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Wirt, fragte nach ihrem Befinden, nach der Art ihrer Aufnahme, ohne auch nur mit einem Wort etwas Böses anzudeuten. Ludwig, der die Welt weniger kannte, und dessen gerades Herz auch den Argwohn nicht so leicht einließ, oder ihn, wenn er auftauchte, mit sittlichem Unwillen verwarf, hätte sich durch dieses Benehmen täuschen lassen. Bernhard dagegen wurde um so besorgter, je argloser der Graf sich stellte; er verlarvte sich daher mit derselben Maske gegen ihn und nahm den Schein eines sorglosen, ja fast leichtsinnigen Zutrauens an, während er sein Innerstes aufs vorsichtigste verbarg. Seiner Gewandtheit gelang es vollkommen, den Unbefangenen zu spielen; er ging sogar so weit darin, daß er dem Grafen sein Londoner Abenteuer mit Bianka offen gestand. »Ich bin Maler,« sprach er, mit der Leichtigkeit des lebensfrohen Künstlers, »und wir betrachten ein schönes Angesicht in einem gewissen Grade als ein Eigentum, das uns niemand versagen darf. Damit müssen Sie, Herr Graf, jene Handlung, die freilich die gewöhnlichen Gesetze der Schicklichkeit nicht zum Richter haben darf, entschuldigen.« – »Wir sind nicht solche Barbaren hier in Rußland,« entgegnete Dolgorow lächelnd, »um den Künstler dergleichen Freiheiten nicht willig zuzugestehen. Aber besitzen Sie das Porträt?«
    »Ich besaß es bis vor zwei Tagen; oder vielmehr mein Freund, dem ich es, da es so angenehme und zugleich rätselhafte Erinnerungen in ihm erweckte, zum Geschenk machte. Sein Portefeuille, in dem es sich befand, wurde ihm durch jene Elenden, denen, wie ich höre, furchtbare Vergeltung geworden, abgenommen. In wessen Hände es geraten ist, weiß ich nicht.« – »Mir sind,« erwiderte Dolgorow, »gestern zwei Portefeuilles, die man bei den Gefangenen gefunden hat, überliefert worden; doch ich gestehe, daß ich noch nicht Muße gehabt, sie zu öffnen. Ich bin doch in der Tat begierig zu sehen, ob das Ihrige dabei ist.« Mit diesen Worten eilte er hinüber nach seinem Zimmer und kehrte bald darauf mit zwei Brieftaschen zurück, deren eine er geöffnet in der Hand hielt. Es war Ludwigs. Der Graf hielt Bernhard das Bild entgegen und fragte: »Erkennen Sie das für Ihr Werk?« – »Wie sollte ich nicht?« – »So ist es billig, daß Sie Ihr Eigentum zurücknehmen.« – »Es ist, wie gesagt, nicht mehr das meinige, sondern das meines Freundes.«
    Der Graf händigte Ludwig die Brieftasche ein, aus welcher jedoch alle Papiere verschwunden waren. Dolgorow hatte sie erst eben jetzt herausgenommen, weil er Aufschlüsse in denselben zu finden hoffte; er entschuldigte sich damit, daß ihm das Portefeuille in diesem Zustande zugekommen sei, also wahrscheinlich Beaucaire es schon geleert habe. Das zweite Portefeuille war weder Bernhards noch Ludwigs Eigentum; der Graf behielt es also und entfernte sich damit, um Feodorownen den Morgenbesuch zu machen.
    »Es ist mir unendlich viel wert, daß dieses Bild wieder in meinen Besitz gekommen ist«, sprach Ludwig. »Überhaupt wird mir so wohl und leicht; alle Gefahr scheint vorüber, und der Graf ist ein Mann, der doch wohl Zutrauen verdient.« – »Wahrhaftig, man möchte lachen,« rief Bernhard, »wenn die Zeit nicht besser zum Fluchen oder Beten taugte; man möchte lustig aufjubeln darüber, daß ein so gescheiter Mensch wie du so ein blinder Tor sein kann. O Ludwig, Ludwig! Du bist zu gut für diese Welt – und ich fürchte, die Schwester ist es auch und läßt sich täuschen. Werdet ihr denn ewig solche Kinder im Leben bleiben, daß ihr euch die Schlange an den Busen legen wollt, weil sie eine glänzende bunte Haut hat? Wollt ihr denn niemals lernen, daß der buntgefleckte Tiger sich schlafend stellt, wenn er am tückischsten lauert? Wer deckt denn eine Fallgrube mit Ottern zu? Rosen streut man darüber! Arsenik muß aussehen wie Zucker, sonst frißt ihn keine Ratte. Ludwig, Ludwig! Diese lächelnde Höflichkeit Dolgorows ist mir bedenklicher, als wenn er mit gezogenem Schwert vor mir stände!« – »Du siehst alles zu finster, Bester«, entgegnete Ludwig. – »Meinst du?« fragte Bernhard fast spöttische »Es bedeutet wohl nichts, daß Bianka eine Gefangene ist? Und diese nächtliche, übereilte Ankunft? Ludwig, stände mir das Tor offen, ich ginge lieber hinaus, wie ich hier vor dir stehe, ehe ich noch eine Stunde länger hier verweilte. Ja, wäre nur die Schwester nicht, du müßtest auf der Stelle mit mir fort!«
    Willhofen trat ein und unterbrach ihr Gespräch mit der Frage, ob sie zum

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