1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
Kommando der im Augenblick gebildeten Kompagnien; der General wird Kapitän, der Oberst sein Leutnant, der Offizier tritt als Gemeiner in Reih' und Glied. Jeder behilft sich mit der Waffe, die ihm geblieben ist; wenige haben Gewehre, die meisten nur noch das Seitengewehr zum Holzspalten im Biwak, viele gar nur einen Knüttel, an dem sie eben noch ihren abgematteten Körper mühsam fortschleppten. Aber der Mut, das entflammte Ehrgefühl ersetzt alles. So rücken wir, während der Vizekönig zurückeilt, entschlossen gegen den Feind an.
»Eine Stunde ertragen wir sein zerschmetterndes Kartätschenfeuer; vergeblich harren wir darauf, daß der Vizekönig sich mit den Seinigen bis zu uns durchschlagen und uns Bahn nach Krasnoe brechen soll. Er mußte gleichfalls von mächtigen Feinden angegriffen sein, denn wir hörten hinter uns und weit vor uns den Donner der Kanonen. Von Smolensk bis Krasnoe schien der Weg ein Schlachtfeld zu sein. Da endlich, als wir vorwärts kein Heil mehr für uns sehen, beschließen wir, uns rückwärts zu dem Vizekönig Bahn zu machen, von dem dichte Kolonnen uns schon abzuschneiden begannen. Wir rotten uns in Massen zusammen und nehmen unsern Weg zurück wieder in die Öde des furchtbaren Altrußland hinein. Der dicht an den großen Weg herangerückte Feind begreift anfangs das Unternehmen nicht; er stutzt und läßt uns halb vorüber, ruft uns, da wir an seinen Linien vorbeieilen, zu, uns zu ergeben. Wir hören nicht; denen, die uns nahen, antworten nur Flintenschüsse und Bajonettstöße. Da bricht die Wut der Feinde grimmig aus. In gleichem Augenblick geben zehntausend Mann und dreißig Kanonen Feuer auf uns, und die Hälfte unserer Tapfern liegt zerschmettert und rötet den Schnee mit ihrem Blute. Die andern aber rücken unaufhaltsam, geschlossen vorwärts; kaum ein Blick sagt den gefallenen Kameraden Lebewohl. Die Donner des Feindes krachen hinter uns her, seine Kugeln rissen ganze Reihen fort. Dennoch gelangt eine kleine Schar endlich bis zu den Freunden, die sie mit offenen Armen empfangen. Auch ich glaubte das Ziel glücklich gewonnen zu haben; da führt der Teufel einen Polk Kosaken hinter uns drein, die sich jetzt erst heranwagen und die einzelnen Nachbleibenden zu Gefangenen machen. So geriet auch ich in ihre Gewalt und – das übrige wißt ihr.«
»Wir freuen uns, es von euch selbst gehört zu haben«, sprach Rasinski und reichte ihm die Hand. »Aber der Vizekönig? Sein Schicksal kennt ihr nicht?«
»Doch, doch, Rasinski; wäre er verunglückt, ich würde nicht von mir zuerst gesprochen haben. Er schlug sich den Tag über wie ein Löwe – nun ihr werdet vielleicht die Spuren sehen. Endlich nahm ihn die Nacht in ihren Schutz. Sei es, daß die Russen ihn heute schonen wollten, denn bei Gott! wir verkauften unser Leben nicht wohlfeil; sei es, daß sie ihres Triumphs zu gewiß zu sein glaubten, allein sie machten keinen entscheidenden Angriff, um die Sache zum Schluß zu führen, sondern begnügten sich, alle Stellungen und Ausgänge besetzt zu halten. Aber am Morgen war das Nest dennoch leer, und die Sonne ging gerade zeitig genug auf, um den Russen zu zeigen, wie die tapfere Schar, schon außer der Möglichkeit, erreicht zu werden, auf Krasnoe anrückte. Ich selbst sah ihre Bajonette im Morgensonnenglanz leuchten und – lacht mich nur aus ins Teufels Namen – aber ich sprach wahrhaftig ein Dankgebet, wie ich's seit meinen Knabenjahren nicht getan.«
»Doch wie war der Marsch möglich?« fragten Rasinski und Jaromir aus einem Munde. – »Diesmal danken wir's euch , den Polen,« antwortete Regnard bewegt; »und wenn Frankreich ein Gedächtnis hat, so wird es sich, solange es Franzosen und Polen gibt, daran erinnern, daß es euch die Köpfe eines ganzen Armeekorps schuldet, und überdies den des tapfersten und menschlichsten Feldherrn, der jemals französische Soldaten ins Feuer geführt hat.« Rasinski war aufs äußerste gespannt. »Hört zu! Es ist Wahrheit, denn mir hat es ein sterbender Landsmann gesagt, der leider nur den halben Weg der Rettung zurücklegen konnte. Es war Nacht geworden. Der Vizekönig gab sich verloren. Doch wollte er noch den verzweifelten Versuch machen, den Feind zu umgehen. Da dieser durch des Prinzen Demonstrationen bewogen, seine größte Kraft auf die linke Seite des Wegs konzentriert hatte, beschloß der Feldherr, ihn auf seinem linken Flügel, nämlich auf der rechten Seite der Straße, zu umgehen. Leise bricht er mitten in der Nacht auf, läßt
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