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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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entschlossenen Mannschaft, ritt in die düstere Nacht hinaus, um den Feind, der sich so furchtbar angekündigt hatte, aufzusuchen. Es befremdete zwar, daß seine Artillerie nur eine Salve gegeben hatte und nun so plötzlich schwieg, doch war der Kampf bei diesem Rückzuge, der in Nacht, Wald und unwegsamen Schneeeinöden geführt wurde, so reich an seltsamen Ereignissen, daß man jeden Tag etwas bisher in der Geschichte des Kriegs Unerhörtes erfuhr.
    Auf eine Anhöhe dicht am Lager gelangt, glaubte Rasinski auf dem weißen Schneegrunde einige schwarze Massen zu erblicken. »Ist das Waldgebüsch oder sind es Leute?« fragte er zu Jaromir gewandt. – »Noch läßt sich nichts unterscheiden«, erwiderte dieser. – »Darauflos denn, in Gottes Namen«, befahl Rasinski und ritt näher. Bald aber senkte der Boden sich in eine Schlucht hinab, deren steilen Rand man nicht hinunterreiten konnte, man mußte also dem Laufe derselben folgen. Da brausten plötzlich wie ein aufgescheuchtes Geflügel etwa fünfzehn bis zwanzig Kosaken aus einer Windung der Schlucht herauf und sprengten mit ihren kleinen behenden Pferden jenseit die minder steile Höhe hinan. Mehr um sie zu schrecken, als weil man ihnen Schaden tun konnte, ließ Rasinski Feuer auf sie geben; sie flogen flüchtig über das Feld und verschwanden im Dunkel. Wenige Minuten später gerieten auch jene schwarzen Massen auf dem Schneefelde in Bewegung, und man erkannte, daß es wahrscheinlich eine größere Abteilung von Kosaken war, die sich auf die Nachricht, die jene Versprengten ihnen von dem Anrücken des Feindes gaben, zurückzog.
    Mit Vorsicht führte Rasinski die Seinigen jetzt an einer minder gefährlichen Stelle hinab. Hier entdeckte er bald die Ursache des Getöses, welches man für einen Artillerieangriff gehalten hatte. Man fand nämlich eine Anzahl Kanonen und Protzkasten vor mit Munition, jedoch vernagelt, die aus Mangel an Fortschaffungsmitteln stehengeblieben waren. Etwas weiterhin entdeckte man die Trümmer aufgesprengter Geschütze und Pulverkarren. Wahrscheinlich hatten die eben geflüchteten Kosaken mehrere dieser Karren angezündet und waren bei dem Versuche, die übrigen aufzusprengen, nur durch Rasinskis Ankunft gestört worden. Rasinski war froh, die wahre Ursache des blinden Lärmens entdeckt zu haben, und wollte daher eilig mit seinen Leuten zurück, um dem Marschall die Meldung zu machen. Doch indem er in der Schlucht entlang ritt, sah er, etwa dreißig Schritt vor sich, einen Mann in vollem Lauf oben auf der Höhe ihres Randes dahineilen. In der Meinung, es sei ein Russe, rief er ihn in der Landessprache an und befahl ihm zu stehen. Der Flüchtige stutzte, wandte sich jedoch rasch wieder zur Flucht um; allein da die Schlucht an dieser Stelle leicht hinanzureiten war, sprengten Rasinski und Jaromir sofort hinauf, und zwei Reiter folgten ihm, um den Russen, der vielleicht über die Stärke und Nähe des Feindes wichtige Auskunft geben konnte, nicht entschlüpfen zu lassen. Er floh in voller Hast, doch nach wenigen Schritten sank er in den tiefen Schnee ermattet nieder und wurde von den Verfolgern ergriffen. Zum großen Erstaunen Rasinskis rief der Gefangene, indem er sich ergab, aus: »Spricht jemand französisch unter euch?« – »Der Teufel, diese Stimme sollte ich kennen,« entgegnete Rasinski französisch; »wer seid ihr?« – »Rasinski, ihr selbst? Ist's möglich?« rief der Gefangene und streckte ihm freudig die Arme entgegen; »ich bin Regnard, erkennt ihr mich nicht?«
    »Regnard! Wie in aller Welt kommt ihr hierher?« fragte Rasinski mit freudigem Erstaunen.
    »Die Geschichte ist kurz und faßlich, aber nicht erbaulich,« erwiderte Regnard, »und ihr sollt sie ausführlicher hören, als euch freuen wird; doch rate ich euch, nicht hier zu verweilen, sondern einen sicherern Ort aufzusuchen, wenn es einen gibt. Denn im Vertrauen gesagt, es sind mehr Russen hier in der Nähe als Bäume in diesen Fichtenwäldern. Aber wie kommt ihr hierher?« – »Mit dem Marschall Ney aus Smolensk,« antwortete Rasinski; »unser Biwak ist keine fünfhundert Schritte von hier.« – »So laßt uns eilen, es zu erreichen. Im Gehen werde ich erzählen.«
    Jaromir bot dem Obersten sein Pferd an, doch dieser lehnte es ab und schritt zwischen ihm und Rasinski rasch vorwärts dem Biwak zu. »Ihr wißt,« begann er, »daß ich mit dem Vizekönig von Italien aus Smolensk ausrückte. Gestern wurden wir drei Stunden von hier von den Russen angegriffen, und ich

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