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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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gleich drohenden Gewitterwolken sich immer schwärzer und schwärzer auf den Höhen zusammenzog, schien fast ein wahnsinniges zu sein. Doch der Marschall hatte es befohlen, und das Vertrauen der Krieger auf ihn war unbegrenzt; sie wähnten, sein Gebot müsse den Sieg erzwingen. Ohne Bedenken stürzten sie daher vorwärts den steilen Weg in die vorliegende Schlucht hinab, um jenseits die Anhöhe zu stürmen.
    Indessen durchfliegt der Feldherr die Reihen der übrigen und ordnet sie zum Kampf. Regnard sprengt zu Rasinski heran und bringt ihm den Befehl, mit seinem bis auf sechzig Mann geschmolzenen Regimente den linken Flügel gegen die schwärmenden Kosaken zu decken. Die Artillerie macht Front gegen den Feind, und ihre sechs kleinen Kanonen unternehmen es, sich gegen die furchtbare Übermacht der russischen Feuerschlünde zu verteidigen. Auf den beschneiten Anhöhen, welche der Feind besetzt, herrscht seit jener ersten Salve, womit er den Angriff begonnen hat, eine gewitterschwere Todesstille. Aber als wüchsen die Scharen, gleich den geharnischten Männern des Kadmus, aus dem Erdboden herauf, wurde das schwärzliche Gewimmel von Roß und Mann auf dem weißen Plane immer dichter und dichter.
    Rasinski hatte seinen Posten einige hundert Schritte links vom Wege genommen und hielt an einem Schneehügel, von dem er halb gegen das feindliche Artilleriefeuer gedeckt wurde, und doch das ganze Schlachtfeld übersehen konnte. Seine Haltung war ernst, wie immer in der Schlacht, aber ebenso zutrauensvoll, so besonnen und frei wie drei Monden zuvor, als er bei Mosaisk mit Löwenkühnheit an der Spitze seines Regiments in die feindlichen Reihen eindrang. Während er die Blicke flammend über das Schlachtfeld schweifen ließ, ritt Jaromir zu ihm heran und sprach leise: »Wir werden ehrenvoll fallen, Rasinski; solltest du am Leben bleiben und sie wiedersehen,« – er wagte Lodoiskas Namen nicht auszusprechen – »so berichte ihr meine Reue. Die Vergebung, der der Lebende unwürdig war, wird dem Toten jenseits die Ruhe geben.« – »Was sprichst du, Jaromir,« erwiderte Rasinski bewegt; »denke an das Leben. Hier sind noch viele Auswege,« – »O ich fürchte den Tod nicht,« entgegnete Jaromir rasch und eine edle Röte färbte seine bleichen Wangen, denn er wähnte, Rasinski werfe einen Verdacht der Verzagtheit auf ihn; »doch du siehst wohl selbst, daß hier nur für wenige Heil und Rettung bleiben wird. Es ist freilich ein grausamer Hohn der Glücksgöttin, daß sie den Tapfersten so verrät. Aber sie ist doch einmal eine Delila, die den Simson gebunden überliefert!« – »Erwarten wir's,« sprach Rasinski mit Würde, »ob er seine Bande nicht zerreißen wird.«
    Während dieses Gesprächs war Ricard mit seiner Mannschaft durch die Schlucht gegangen und rückte jenseits im Sturmschritt gegen die russischen Batterien auf dem Höhenrande von Katowa heran. Jetzt blitzte es, als beginne ein Gewitter rings am Horizont, und soweit das Auge reichte, wirbelten Rauchsäulen auf allen Höhen empor, als sei die Erde in hundert Vulkanen aufgeborsten. Einen Augenblick später zerriß ein donnerndes Krachen die Lüfte, der Boden zitterte in seinen Tiefen erschüttert, und mit sausendem Geheul und Zischen durchschnitt der Schwarm der Kugeln und Kartätschen wie ein Heer unsichtbarer, fliegender Schlangen die Lüfte. Sie prasselten rings in die starre Eis- und Schneerinde hinein, welche das Feld bedeckte, so daß diese zersplittert in tausend glänzenden Wolken emporstäubte. Ein Blick auf Ricards Tapfere mußte das Herz zerreißen, denn dieser eine Moment hatte die Hälfte derselben zerschmettert auf das starre, winterliche Totenlager hingestreckt. Die eben noch dicht geschlossenen Reihen waren so gelichtet, daß die Lebenden wie vereinzelte Stämme eines ausgehauenen Waldes standen. Doch der Führer ist nicht gefallen; sein Ruf sammelt die Unversehrten, er rückt aufs neue gegen die todspeienden Höhen hinan. Da reißt eine zweite donnernde Lage der Batterien vor ihm, gleich einer heranbrausenden Meerflut, seine Reihen abermals hinweg. Nur wenige bleiben von der verwüstenden Sichel des Todes verschont, und in diesen, da der Sieg Unmöglichkeit ward, gewinnt der Schrecken die Übermacht, und sie stürzen flüchtend zurück, um Heil in den Reihen ihrer Brüder zu suchen.
    Schon aber rückt der Marschall Ney selbst an der Spitze des Kerns seiner Mannschaft gegen den Feind heran. Dicht geschlossen, eine wandelnde Mauer, in der Brust ein

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