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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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Freude sein,« sprach Rasinski; »aber Boleslaw und die andern Verwundeten trifft ein hartes Los. Wir müssen suchen, es von ihnen abzuwenden. Doch wer kommt da?«
    Von den Höhen herab nahte sich ein russischer Offizier, der mit einem weißen Tuche in der Hand schon von fern winkte. »Was Sie wollen, mein Herr,« rief Rasinski stolz für sich, als er ihn erblickte, »ist vergebliche Mühe. Solange wir Waffen führen können, unterhandeln wir nicht.«
    Der Marschall war mit Anordnung und Aufstellung der Truppen beschäftigt. Er sprengte durch die Glieder, zeigte sich überall selbst, ordnete, ermutigte, gab Befehle. Rasinski sandte ihm schleunig einen Reiter nach, um ihn zu benachrichtigen, daß ein Parlamentär sich zeige. Doch noch ehe der Marschall zurückkehrte, hatte der russische Offizier die Vorposten erreicht, und da er an der Uniform die Leute Rasinskis für Polen erkannte, rief er ihnen polnisch zu, sich der Übermacht zu ergeben. Doch wie ein ergrimmter Löwe sprengte Rasinski auf ihn zu und rief: »Sie wiegeln unsere Leute auf, Sie suchen sie zum Verrat zu verleiten! Das ist nicht die Rolle der Parlamentärs, mein Herr. Ich erkläre Sie für einen Gefangenen!«
    Der Offizier wollte erschrocken das Pferd wenden, doch schon hatte Rasinski die Zügel desselben ergriffen, und seine herbeisprengenden Leute umringten den Russen so rasch, daß weder an Flucht noch an Gegenwehr zu denken war. »Sie werden die unverletzliche Person des Parlamentärs nicht angreifen!« rief der Russe. – »So hätten Sie in gebührender Ferne warten müssen, ob es uns beliebte, Sie als Parlamentär zu empfangen«, entgegnete Rasinski. »Auf diese Weise darf sich niemand einem kampffertigen Heere nahen, das ist wider Kriegsgebrauch.« – »Lassen Sie mich zu Ihrem Befehlshaber führen,« antwortete der Offizier; »er wird meine wohlgemeinten, vernünftigen Ratschläge achten. Das Unmögliche ist selbst dem Tapfersten unmöglich; es bleibt Ihnen kein Ausweg als der der Kapitulation.« – »Wir werden ja sehen«, erwiderte Rasinski, der der Entschließung des Marschalls zu gewiß war. »Dort kommt der Befehlshaber. Sie stehen vor dem Marschall Ney; dies sei Ihnen genug, um zu wissen, daß Ihre Worte vergeblich sein werden.«
    Der Marschall kam, Rasinski ritt ihm entgegen und meldete, was er getan. »Sie haben als ein Offizier von Ehre gehandelt,« antwortete der Marschall; »ich würde mich schämen, geringer zu denken als Sie. Doch will ich den Offizier sprechen.« Damit ritt er auf diesen zu und fragte ihn nach seinem Begehr.
    »Mich sendet der Marschall Kutusow,« begann der Russe; »er würde einem so berühmten Krieger und Feldherrn nicht den Vorschlag tun, die Waffen zu strecken, wenn noch ein anderer Ausweg offen bliebe. Auf diesen Höhen ringsumher stehen achtzigtausend Mann und hundert Feuerschlünde. Wenn Sie zweifeln, so soll es Ihnen freistehen, einen Offizier zu senden, den ich durch die Reihen der Unserigen führen will, damit er sie zähle.«
    »Ich hoffe, Ihren Leuten selbst so nahe zu kommen, daß ich sie zählen kann«, erwiderte der Marschall mit funkelnden Augen. »Sagen Sie dem Fürsten, daß der Marschall Ney noch nie die Waffen übergeben hat, und daß die Weltgeschichte niemals eine solche Handlung von ihm berichten wird. Dort liegt das Ziel, welches Pflicht und Ehre mir gesetzt haben; ich werde mir Bahn dahin mitten durch Ihre Reihen machen, und wenn diese Wälder zu Armeen würden!«
    »Sie werden es«, antwortete der Parlamentär; aber noch hatte er das Wort nicht vollendet, als ein furchtbares Krachen von den vorwärts und zur Linken gelegenen Anhöhen ertönte und ein Hagel von Kartätschen auf den Eisspiegel der Felder ringsumher herabprasselte. »Das ist Verrat!« rief der Marschall heftig, indem er aufblickte und die Höhen von allen Seiten mit schwarzen Truppenmassen und Artillerie gekrönt sah. »Unter dem Feuer parlamentiert man nicht! Sie sind mein Gefangener!«
    Der bestürzte Offizier, der durch die Unvorsichtigkeit oder Rücksichtslosigkeit der Seinen auf diese Weise preisgegeben wurde, übergab seinen Degen. »Führt ihn zu dem Train!« gebot der Marschall. »General Ricard vorwärts! Sie greifen den Feind mit dem Bajonett an. Ihnen sei die Ehre, uns die Bahn zu brechen.«
    Der General mit etwa fünfzehnhundert Mann rückte entschlossen vorwärts. Die kleine Schar verlor sich fast auf dem ungeheuern Raum, der vor ihr lag; das Unternehmen, gegen die dichten Massen des Feindes anzurücken, der

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